EKD-Agrarexperte zum Milchstreik: "Streikbrecher" nicht bedrohen

Die evangelische Kirche hat für den Lieferstreik der Milchbauern Verständnis geäußert. "Die derzeit von den Molkereien gezahlten Milchpreise sind zu niedrig", erklärte der Präses der Evangelischen Kirche in Westfalen, Alfred Buß, am Donnerstag in Bielefeld. Nach Ansicht des Agrar-Beauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Clemens Dirscherl, kann der Milchstreik als politisches Mittel der Bauern akzeptiert werden, um auf die eigene existenzbedrohende Situation aufgrund unzureichender Erzeugerpreise hinzuweisen.

Mit kaum 30 Cent pro Liter könnten Milchbauern ihre Kosten nicht decken, fügte Präses Buß hinzu. Nach vergeblichen Verhandlungen um gerechte Preise hätten sie nun zum Lieferstreik gegriffen. Buß appellierte an Molkereien und Lebensmittelhandel, höhere Preise zu zahlen. Die Verbraucher rief er zur Bereitschaft auf, für Milchprodukte tiefer in die Tasche zu greifen.

Zum Überleben benötigten Landwirte einen fairen Preis von mindestens 40 Cent pro Liter, erklärte der leitende Theologe der mit rund 2,7 Mitgliedern viertgrößten evangelischen Landeskirche. Die Marktmacht weniger Lebensmittelkonzerne verhindere, dass Molkereien höhere Preise zahlten. "Aber Marktmacht darf nicht der Grund für den Konkurs vieler Milchviehbetriebe sein", mahnte Buß. Lebensmittel seien eine Gabe Gottes. "Wenn sie verschleudert werden, ist etwas faul im menschlichen Umgang mit Gottes Schöpfung."

Der EKD-Beauftragte Dirscherl appellierte zugleich an die Milchbauern, sogenannte Streikbrecher nicht zu bedrohen. "Dies ist einer bäuerlichen Unternehmensethik nicht würdig", erklärte Dirscherl im württembergischen Waldenburg. Zuvor hatte bereits der Präsident des Bayerischen Bauernverbands, Gerd Sonnleitner, vor "Diffamierungen oder Schikanen" gewarnt.

Tierschützer warnten unterdessen vor einer steigenden Milchproduktion und forderten bessere Lebensbedingungen für Milchkühe. Weil Kühe immer mehr Milch liefern müssten, steige das Risiko von gravierenden gesundheitlichen Schäden durch den Stoffwechsel, erklärte der Bundesverband der Tierversuchsgegner am Donnerstag in Aachen. Bereits nach wenigen Jahren seien die Tiere ausgezehrt und würden geschlachtet.

Milchbauern in Deutschland und Europa sind seit Mittwoch in Lieferstreik getreten, um höhere Abnahmepreise erreichen. Sie fordern mindestens 40 Cent pro Liter. Die derzeitigen Preise zwischen 30 und 34 Cent können nach Angaben der Milchbauern die Produktionskosten nicht decken.

29. Mai 2008

Beauftragter für agrarsoziale Fragen Clemens Dirscherl