Minister Scholz und Bischof Huber rufen zur Stärkung des Sozialstaats auf

Staat, Kirchen und Wohlfahrtspflege in der Verantwortung

Berlin (epd). Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, haben dazu aufgerufen, den Sozialstaat zu stärken. Scholz erklärte am Dienstagabend in Berlin zum Auftakt einer evangelischen Tagung über Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik, staatliche Hilfe für die Schwachen und faire Löhne gehörten zu den Voraussetzungen für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands.

Bischof Huber sagte laut vorab verbreitetem Redemanuskript, eine vorausschauende Sozialpolitik und das soziale Handeln von Kirchen, Diakonie und Wohlfahrtsverbänden seien unentbehrlich in einem freiheitlichen Gemeinwesen. Der Staat müsse seiner sozialen Verantwortung gerecht werden. Doch ebenso wichtig sei es, dass es nicht allein dem Staat überlassen werde, Menschen zu helfen und sie zu ermutigen. Es gelte, gemeinsam Not zu mindern, Bildungschancen zu verbessern und sozialen Ausgleich zu schaffen.

Die evangelische Kirche, das Diakonische Werk und die Evangelische Akademie haben Politiker, Wissenschaftler und Wirtschaftsvertreter zu einem "Evangelischen Dialog mit Politik und Wirtschaft zu Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik" eingeladen. Die Tagung aus Anlass des Wichernjahres dauert noch bis Mittwoch. Der protestantische Sozialreformer und Diakonie-Gründer Johann Hinrich Wichern, dessen Geburtstag sich in diesem Jahr zum 200. Mal jährt, hatte im 19. Jahrhundert in Hamburg ein Heim für Jungen aus Elendsvierteln gegründet, um ihnen eine Ausbildung zu geben.

Mit Blick auf Wichern erklärte Scholz, der protestantische Sozialreformer habe erkannt, dass Bildung selbst Straßenkindern "die Chance auf ein selbstständiges Leben und bescheidenen sozialen Aufstieg eröffnet". Eine fehlende Ausbildung sei ein massives Armutsrisiko, so Scholz laut vorab verbreitetem Redetext. Es sei nicht "gottgegeben", dass in jedem Jahr zehntausende Jugendliche ohne Ausbildungsplatz blieben und acht Prozent eines Jahrgangs die Schule ohne Abschluss verließen. Er werde sich daher weiter für Ausbildungsförderung und den Rechtsanspruch auf einen Hauptschulabschluss einsetzen, so der Minister.

Bei den Schwächsten am Arbeitsmarkt dürfe nicht gespart werden. Jeder solle sich seinen Platz in der Gesellschaft erarbeiten können und verdiene eine Chance, wenn nötig, "auch eine zweite und dritte Chance". Der wirtschaftliche Erfolg Deutschlands beruhe auch auf dem protestantisch geprägten "Arbeitsethos", sagte Scholz: "Wir brauchen für alle Chancen auf Arbeit." Wer die positive Einstellung zur Arbeit sowie die Einsatzbereitschaft und das Pflichtbewusstsein der Arbeitnehmer erhalten wolle, müsse sie zudem durch faire Löhne anerkennen.

Diakonie-Präsident Klaus-Dieter Kottnik zeichnete 20 Gewinner des Diakonie-Jugendwettbewerbs zum Wichernjahr aus. Die Schüler zwischen zwölf und 20 Jahren hatten sich in Videoclips, Podcasts, Fotocollagen und Texten unter der Fragestellung "Wie sozial bist du?" mit der Lösung sozialer Probleme beschäftigt. Schirmherr des Wettbewerbs und Vorsitzender der Jury war der Programmchef des Jugendsenders "YOU FM" des Hessischen Rundfunks, Jan Weyrauch.

04. Juni 2008

EKD-Pressemitteilung „Evangelischer Dialog mit Politik und Wirtschaft zu Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik“

Vortrag des EKD-Ratsvorsitzenden „Evangelischer Dialog mit Politik und Wirtschaft zu Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik: "Zwang verwandelt die Wohltat in ein Übel"