Bischöfe kritisieren Vernichtung von Milch und Preisdruck

Berlin (epd). Evangelische und katholische Bischöfe haben die Vernichtung von Milch im Rahmen des Lieferboykotts der Landwirte kritisiert und zugleich den Preisdruck gerügt. "Lebensmittel wie Milch sind ein Geschenk Gottes", sagte der Vorsitzende der nordelbischen evangelischen Kirchenleitung, Bischof Hans Christian Knuth, der "Bild"-Zeitung (Mittwochsausgabe). Die Bibel verlange, verantwortungsvoll mit Nahrungsmitteln umzugehen. Eine klare Mehrheit der Deutschen unterstützt einer Umfrage zufolge die Bauernforderung nach einem höheren Milchpreis.

Mit Traktoren demonstrierten Landwirte am Mittwoch in Essen, Hamburg, Mülheim/Ruhr und Neckarsulm vor den Zentralen der großen Lebensmitteldiscounter, um den Handel unter Druck zu setzen. In dem Konflikt müsse auch die schwierige Lage der Landwirte berücksichtigt werden, sagte Knuth, der Bischof des Sprengels Schleswig ist: "Das Vernichten von Lebensmitteln ist ein katastrophaler Verzweiflungsakt, der die Landwirte selbst wohl am meisten schmerzt."

Auch der Hamburger Erzbischof Werner Thissen äußerte sich besorgt: "Ich halte die Vernichtung von Lebensmitteln ethisch für ebenso problematisch wie den enormen Preisdruck, der auf die Bauern ausgeübt wird." Handel und Molkereien sehe er in der Pflicht, die Milcherzeuger angemessen zu bezahlen. Bauern sähen keine andere Möglichkeit als Milch zu vernichten: "Es ist ein Skandal, dass es soweit gekommen ist", so der Erzbischof.

Für schnelle Verhandlungen zwischen Erzeugern und der Milchindustrie zur Lösung des Milchboykotts sprach sich der kirchliche Agrarexperte Rudi Job aus. Viele Existenzen seien gefährdet, wenn die Bauern keinen kostendeckenden Preis für die Milch erhielten, sagte der frühere Agrarbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland dem epd. Die deutschen Landwirte hätten auf ihre schwierige Situation mit einem Lieferstopp aufmerksam machen müssen. Der Theologe bezeichnete es als problematisch, dass Milchpreiserhöhungen bis zu 30 Prozent im vergangenen Jahr nicht bei den Produzenten angekommen seien.

Das Wegschütten oder das Verderben tausender Tonnen Milch in Tanklastern sei ethisch bedenklich, sagte Job, der den Europäischen Arbeitskreis für Landfragen leitet. Er appellierte an die Bauern, direkt zu vermarkten. Die Verbraucher sollten bei den örtlichen Erzeugern einkaufen.

Die Landwirte finden in ihrem Kampf für höhere Milchpreise große Zustimmung in der Bevölkerung. 88 Prozent würden zehn Cent pro Liter mehr zahlen, ermittelte das Meinungsforschungsinstitut Forsa in einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage des Hamburger Magazins "Stern". Diese zehn Cent müssten allerdings den Milchbauern zugute kommen.

Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) äußerte Verständnis für die Aktionen, mit denen die Landwirte für einen höheren Milchpreis eintreten. Was die Zielsetzung der Proteste angehe, hätten die Bauern seine volle Solidarität, sagte der Minister der "Passauer Neuen Presse" (Mittwochsausgabe).

Die Aktionen der Milchbauern stellen nach Expertenmeinung eine neue Qualität des sozialen Protestes in Deutschland dar. "Traditionell werden in der deutschen Arbeitswelt eher geregelte Formen der Auseinandersetzung gewählt", sagte der Dortmunder Historiker Karl Lauschke, der die Geschichte sozialer Bewegungen erforscht, dem epd. Die Blockaden vor Molkereien seien dagegen ein neues Phänomen.

Derartige Aktionen seien bislang eher aus dem Ausland, etwa aus Frankreich, bekannt, so Lauschke. Offenbar gebe es eine "Globalisierung der Protestkultur", die zu einem Bruch mit nationalen Traditionen führe.

05. Juni 2008