Evangelische Denkfabrik wird 50

Heidelberger Forschungsstätte FEST prägt protestantische Beiträge zur Ethik-Debatte

Von Rainer Clos (epd)

Heidelberg (epd). In der Führungsriege der evangelischen Kirche und Theologie sind ehemalige FEST-Mitarbeiter keine Seltenheit. Bischöfe, Beauftragte und namhaften Theologieprofessoren machten in ihrer Karriere im Schmeilweg in Heidelberg Station. Dort hat die kurz FEST genannte "Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft" ihr Domizil. Die evangelische Denkfabrik, an der stets auch prominente protestantische Wissenschaftler aus anderen Disziplinen wirkten, besteht seit 50 Jahren. An Mittwoch gibt es zum Jubiläum einen Festakt.

Dass bei dieser Gelegenheit der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, den Hauptvortrag über "Wissenschaft und Gottesglaube" hält, ist kaum Zufall. Der Berliner Bischof war von 1968 bis 1980 Mitarbeiter und stellvertretender Leiter der interdisziplinären Forschungsstätte. Auch Petra Bahr kam über Heidelberg zur EKD, wo sie nun als Kulturbeauftragte Anstöße für den Austausch von Kirchenleuten und Kulturschaffenden gibt. Seit 2000 war Bahr theologische Referentin an der FEST und begleitete den Konsultationsprozess "Protestantismus und Kultur".

Bei anderen führte der Weg von der wissenschaftlichen Tätigkeit an der Heidelberger Forschungsstätte auf Lehrstühle an Universitäten im In- und Ausland. Hans-Richard Reuter, Fachmann auf dem Gebiet evangelischer Friedensethik und Professor für Theologische Ethik in Münster war ebenso Referent an der Fest wie Wolfgang Lienemann, der an der Theologischen Fakultät der Universität Bern lehrt.

Von 1995 bis 2004 war Volkhard Krech Referent für Religionssoziologie an der Forschungseinrichtung. Seit 2004 ist er Professor für Religionswissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum. Und Eberhard Jüngel, der zu den bedeutendsten evangelischen Theologen der Gegenwart zählt, leitete von 2003 bis 2006 die Heidelberger Forschungsstätte. Sein Nachfolger ist der Rechtsprofessor Eberhard Schmidt-Aßmann.

Am Anfang der FEST stand eine Fusion von zwei kleineren kirchlichen Einrichtungen. Aus der Studiengemeinschaft der Evangelischen Akademien in Bad Boll und dem Christophorus-Stift im westfälischen Hemer wurde 1957/58 die "Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft". Erster Leiter war der Philosoph und Bildungsreformer Georg Picht (1913-1982), der seit 1964 auch den Lehrstuhl für Religionsphilosophie an der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg innehatte.

Träger sind von Beginn an die EKD mit ihren Landeskirchen, der Deutsche Evangelische Kirchentag und der Verband der Evangelischen Akademien. Aufgabe des Instituts ist es, wissenschaftlichen Sachverstand und Beratungskompetenz auf Feldern aufzubauen, auf denen sich "das kirchliche Wirken zu bewähren" hat.

Eine erste Bewährung ergab sich für das Institut durch eine Bitte des evangelischen Militärbischofs Hermann Kunst (1907-1999). Vor dem Hintergrund des kirchlichen Streits über Militärseelsorge und mögliche Ausrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen sollte es der Frage nachgehen, welche friedensethische Positionen angesichts der Massenvernichtungswaffen für Christen möglich seien. Die Beratungen unter Leitung des Physikers und Philosophen Carl Friedrich von Weizsäcker (1912-2007) mündeten 1959 in die "Heidelberger Thesen", die über Jahrzehnte die friedenspolitische Position der EKD bestimmte.

Friedensforschung blieb ein Schwerpunkt der Wissenschaftler an der Forschungsstätte. Bis heute trägt das Institut zu den Analysen bei, die seit zwei Jahrzehnten jährlich als gemeinsames Friedensgutachten der bundesdeutschen Friedens- und Konfliktforschungsinstitute publiziert wird. Doch vor allem nach dem Ende des Ost-West-Konflikts und unter dem Eindruck der Globalisierung rückten andere Aufgaben in den Blick: neben den Schwerpunkt Frieden trat die nachhaltige Entwicklung, zum Kirchenrecht kam das Thema Religion und Kultur, Medizinethik gewann an Bedeutung ebenso wie künstliche Intelligenz. Hinzu kamen Querschnittsthemen wie "internationale Gerechtigkeit". Dauerthema ist das Verhältnis von Theologie und Naturwissenschaften.

16. Juni 2008

Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft e.V.