Bischof Huber: Grundfragen der Weltdeutung nicht ausweichen

Festakt zu 50 Jahre Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft

Heidelberg (epd). Fundamentalistische Positionen sind nach Ansicht von Bischof Wolfgang Huber häufig das Ergebnis von Verdrängung. Deshalb dürften im Dialog von Wissenschaft und Theologie zentrale Fragen des Weltverständnisses nicht ausgeklammert werden, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei einem Festakt zum 50-jährigen Bestehen der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft am Mittwochabend in Heidelberg. Zur Überwindung des Fundamentalismus reiche der Appell an die Errungenschaften der Aufklärung nicht aus.

In seinem Vortrag ging Huber auch auf den Streit über Evolutionstheorie und Schöpfungsglaube ein. In dieser Debatte stehen sich christlich-fundamentalistischen Gruppierungen und Wortführer eines "neuen Atheismus" gegenüber. Eine sachgemäße Kritik an problematischen Auslegungsformen des Schöpfungsglaubens und der Evolutionstheorie sei erst möglich, wenn die Debatte von der falschen Alternative beider Lager befreit sei. Weder die Angriffe von Atheisten auf den biblischen Schöpfungsglauben noch die von christlichen Gruppen vorgebrachten Angriffe auf die wissenschaftliche Evolutionstheorie träfen die andere Seite im Kern.

Der Bischof sagte, ihn habe überrascht, wie weit kreationistische Vorstellungen und die Variante des "intelligent design" mit einem in die Schöpfung eingreifenden Designer in der deutschen Debatte Resonanz fänden. Vor diesem Hintergrund sprach sich Huber dafür aus, das Gespräch zum Verhältnis von Naturwissenschaft und Gottesglauben nicht auf Fragen naturwissenschaftlicher Erkenntnisse oder bioethische Herausforderungen zu beschränken. Ebenso wichtig sei die Debatte zu Grundfragen des Weltverständnisses. "Der Neigung zum Fundamentalismus auf der einen wie der anderen Seite wird man nur widerstehen können, wenn man diesen fundamentalen Fragen nicht ausweicht", so der EKD-Repräsentant.

Die Verbindung von Wissenschaft und Gottesglaube bezeichnete der Theologe als bestimmendes Merkmal des Protestantismus. Die Reformation habe der Entwicklung der Theologie zu einer kritischen Wissenschaft im modernen Sinn den Weg gebahnt. Auch das reformatorisch geprägte Christentum habe die Ambivalenz der Aufklärung erfahren und erlitten, sagte der Ratsvorsitzende.

Huber verwies auf gegensätzliche Strömungen, die einerseits den Glauben in den Bereich der Irrationalität abschieben und andererseits den Glauben gegen Infragestellungen mit den Mitteln der Vernunft abschotten wollten. Aus dieser Erfahrung "musste und muss immer wieder die Freiheit des christlichen Glaubens nicht nur verteidigt, sondern auch erneuert werden", so Huber. Zu dieser Freiheit gehöre es auch, sich der Endlichkeit der Vernunft bewusst zu werden und zu erkennen, dass der Kult der Vernunft ein Götzendienst sei.

Die Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) in Heidelberg gilt als Brücke zwischen Protestantismus und Wissenschaft. Arbeitsschwerpunkte der evangelischen Denkfabrik sind die Bereiche Religion und Kultur, Frieden und nachhaltige Entwicklung sowie Theologie und Naturwissenschaft. Die Einrichtung wird getragen von der EKD und den Landeskirchen, den Evangelischen Akademien sowie dem Deutschen Evangelischen Kirchentag.

Das interdisziplinäre Forschungsinstitut entstand 1957/58 aus der Zusammenlegung zweier kleinerer kirchlicher Einrichtungen. Der erste Leiter des Instituts war der international renommierte Religionsphilosoph und Bildungsexperte Georg Picht (1913-1982). Der Tübinger Theologieprofessor Eberhard Jüngel leitete das Institut von 2003 bis 2006. Danach übernahm der Rechtswissenschaftler Eberhard Schmidt-Aßmann die Leitung. Bischöfe und kirchliche Beauftragte sowie namhafte Theologieprofessoren waren an der FEST tätig. Der EKD-Ratsvorsitzende und Berliner Bischof Wolfgang Huber war von 1968 bis 1980 Mitarbeiter und stellvertretender Leiter der Forschungsstätte.

19. Juni 2008

Festvortrag des EKD-Ratsvorsitzenden

EKD-Pressemitteilung

Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST)