Handwerkskammer-Funktionär ruft zum Schutz des Sonntages auf

Bayreuth (epd). Der Vorsitzende der evangelischen Bundesarbeitsgemeinschaft "Handwerk und Kirche", Horst Eggers, hat zum Schutz des Sonntages aufgerufen. Sonn- und Feiertage seien für ein lebendiges Kirchen- und Vereinsleben und für ein Gedeihen der Gemeinschaft unverzichtbar, erklärte Eggers, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Oberfranken, in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift "Bayreuth Evangelisch".

Im Interesse eines solidarischen Miteinanders darf Eggers zufolge das Kultur- und Vereinsleben "nicht für das Einkaufsvergnügen einer Minderheit geopfert" werden. Eine Aushöhlung oder Abschaffung des Sonntagsschutzes wäre überdies ein Verstoß gegen Artikel 140 des Grundgesetzes. Darin sei der Sonntag als Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erbauung verfassungsrechtlich verbürgt.

Gewinner längerer Ladenöffnungszeiten wären nach Auffassung von Eggers die Großbetriebe und Konzerne des Einzelhandels. Demgegenüber stünden die kleinen und mittleren Fachgeschäfte als Verlierer da. Dies habe Auswirkungen auf die wohnortnahe Versorgung: "Profitieren werden 1-a-Lagen in Ballungszentren und Einkaufszentren auf der grünen Wiese." Handwerksbetriebe gerieten weiter unter Druck.

Eggers ist seit 2002 Bundesvorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Handwerk und Kirche in der Männerarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Seit 2004 ist Eggers Mitglied in der Kammer für soziale Ordnung der EKD.

06. August 2008


Der Beitrag von Horst Eggers in vollem Wortlaut:

Kampf um den Sonntag und sinnvolle Ladenschlusszeiten

Ein Handwerksunternehmer arbeitet 60 – 70 Stunden in der Woche. Anders lässt sich ein Handwerksbetrieb heutzutage nicht mehr führen. Handwerksfamilien sind vor diesem Hintergrund sowieso hoch belastet, und besonders anfällig für Störungen wie die Ausweitung von Sonntagsarbeit oder Ladenöffnungszeiten.

Äußerst bedenklich ist die Zunahme der Sonn- und Feiertagsarbeit. Laut Mikrozensus, einer Statistikauswertung des Statistischen Bundesamts ist von 1991 bis zum Jahr 2006 der Anteil derjenigen, die gelegentlich, regelmäßig oder ständig an Sonn- und Feiertagen arbeiten, um 28,2 Prozent, also mehr als ein Viertel, gewachsen.

Es geht längst nicht mehr um eine verschwindende Minderheit, die von längeren Arbeitszeiten betroffen ist. Von der Arbeit an Sonn- und Feiertagen sind mittlerweile 27,7 Prozent der Erwerbstätigen betroffen, von Arbeitszeiten am Abend 46,4 Prozent, und von Samstagsarbeit 47,1 Prozent.

Aus meiner Sicht ist die Grenze dessen, was in puncto Arbeitszeit im Hinblick auf das Funktionieren unserer Wirtschaft und Gesellschaft notwendig und sinnvoll ist, längst überschritten. Zudem gibt es auch wirtschaftliche Gründe, die gegen ein weiteres Aufweichen der Arbeitszeiten sprechen.

Meine Thesen zur Arbeit an Sonn- und Feiertagen:

Eine Gemeinschaft kann nur existieren und gedeihen, wenn sie ein Gemeinschaftsleben führen kann. Dazu ist eine Zeit notwendig, in der alle Gemeinschaftsmitglieder zusammen sein und zusammenwirken können. Sonn- und Feiertag sind deshalb für ein lebendiges Kirchen- und Vereinsleben unverzichtbar.

Eine Gemeinschaft braucht ein faires, solidarisches und gedeihliches Miteinander. Es darf deshalb nicht sein, dass für das „Einkaufsvergnügen“ einer Minderheit unser reichhaltiges Kultur- und Vereinsleben geopfert wird, eine große Zahl von Arbeitskräften und Selbständigen benachteiligt werden und  der mittelständische Einzelhandel bzw. das einzelhandeltreibende Handwerk gefährdet werden.

In unserem flexiblen Wirtschaftsleben, in der die Arbeitszeiten immer differenzierter werden und auch die Frauenerwerbstätigkeit schon aus demographischen Gründen weiter ansteigen wird, sind Sonn- und Feiertage notwendig, um den Familien eine Zeit zu geben, das Familienleben zu pflegen.

In einer Arbeitswelt, in der die nationale und internationale Konkurrenzsituation dafür sorgt, dass die Anforderungen an die Beschäftigten hoch sind und weiter steigen, ist ein Tag der Ruhe und Erholung notwendig, um für die Berufstätigkeit neue Energie tanken zu können

Eine Aushöhlung oder Abschaffung des Sonntagsschutzes, der im Grundgesetz durch Artikel 140 als Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erbauung verfassungsrechtlich verbürgt ist, wäre ein Verstoß gegen das Grundgesetz. Auch nach Artikel 147 der Bayerischen Verfassung bleiben Sonntage und staatlich anerkannte Feiertage als Tage der seelischen Erhebung und der Arbeitsruhe gesetzlich geschützt. Erst recht durch das 3. Gebot Gottes: „Du sollst den Feiertag heiligen“.

Auch Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger am Sonntag nicht einkaufen will und deshalb gegen eine Ladenöffnung am Sonntag ist. EMNID 1999: 57,4 %, EMNID 2005: 50 %. In Bayern haben sich 2006 in mehreren Umfragen, z.B. von BR und SAT1, mehr als 60 % der Befragten gegen die Änderung der bestehenden Ladenöffnungszeiten ausgesprochen.

Meine Thesen zum Ladenschluss:

Die gesetzliche Regelung der Ladenöffnungszeiten in Deutschland ist ein wichtiges ordnungspolitisches Instrument zur Verhinderung betriebsgrößenbedingter Wettbewerbsverzerrungen.

Gewinner längerer Ladenöffnungszeiten wären die Großbetriebe und Konzerne des Einzelhandels, Verlierer die kleinen und mittleren Fachgeschäfte. Dies hat negative Auswirkungen auf die wohnortnahe Versorgung: Profitieren werden 1a-Lagen in Ballungszentren und Einkaufszentren auf der grünen Wiese.

Ein verlängerter Ladenschluss führt für Handwerksbetriebe zu spürbar höheren Kosten und bringt bei bestenfalls stagnierenden Umsätzen die Erträge weiter unter Druck. Es fällt nicht nur mehr Arbeitszeit für den gleichen oder weniger Umsatz an. Arbeitsstunden zu unattraktiven Zeiten müssen häufig zudem teurer bezahlt werden. Dies haben auch die Erfahrungen mit verlängerten Öffnungszeiten während der Fußball-Weltmeisterschaft belegt.

Eine weitere Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten ist eindeutig familienfeindlich. Die Unternehmer und ihre Familien unterliegen einem wettbewerbsbedingten Zwang zur Selbstausbeutung. Generell wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erschwert.

Die Ladenschlussdebatte ist ein politisches Scheingefecht, weil die eigentlich drängenden Probleme wie Steuerbelastung, Lohnzusatzkosten oder unflexibler Arbeitsmarkt nicht angegangen werden. Die Ursache der nach wie vor bestehenden Probleme in Handwerk und Einzelhandel liegt nicht darin, dass die Nachfrager keine Zeit zum Einkaufen haben, sondern dass ihnen zu oft das Geld und auch die Zuversicht dazu fehlen.

Horst Eggers
Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Oberfranken
Bundesvorsitzender von „Handwerk und Kirche“
Mitglied der Landessynode
Mitglied der Kammer für Soziale Ordnung der EKD