China: Öffentliche Toleranz und versteckte Repressionen

Auch im olympischen China herrscht keine Religionsfreiheit

Von Jutta Lietsch (epd)

Peking (epd). Für die deutschsprachige katholische Gemeinde in Peking haben die Olympischen Spiele einen besonderen Reiz: Während der Zeit der Wettkämpfe darf sie erstmals ihre Gottesdienste in einer staatlich anerkannten chinesischen Kirche feiern statt wie bislang abgeschottet in der deutschen Botschaft.

Am vergangenen Sonntag standen gleich zwei deutsche Geistliche am Altar der Xishiku-Kirche im Norden der Hauptstadt: Pfarrer Michael Bauer, der in Shanghai lebt und die Katholiken in Peking mitbetreut, sowie der mit der deutschen Mannschaft aus Düsseldorf angereiste Olympiapfarrer Hans-Gerd Schütt. Zur Messe gekommen waren etwa 40 Katholiken aus Deutschland, Österreich und der Schweiz: "Ich freue mich sehr, dass wir hier in dieser schönen gotischen Kirche zu Gast sein dürfen", sagte Pfarrer Bauer. "Ich hoffe, dass es auch nach dem Ende der Spiele so weitergeht."

Pekings Politiker wollen sich in diesen Olympia-Tagen, in denen die Weltöffentlichkeit schärfer als sonst auf China blickt, als tolerant und aufgeschlossen gegenüber den großen Religionen der Welt zeigen. Extra für die Zeit der Wettkämpfe ließen die Religionsbehörden Tausende Bibeln mit Olympia-Logo drucken und im Athletendorf verteilen. Chinesische Priester, Nonnen, Mönche und Imame betreuen dort Sportler und Olympiafunktionäre in speziellen Gebetsräumen. Dutzende internationale Geistliche - aus Deutschland neben dem Katholiken Schütt auch der evangelische Olympiapfarrer Thomas Weber - durften die Mannschaften nach Peking begleiten.

Doch außerhalb des Olympiadorfes und der amtlich anerkannten christlichen Organisationen, denen nach offiziellen Schätzungen etwa sechs Millionen Katholiken und rund 25 Millionen Protestanten angehören, ist von größerer religiöser Toleranz nicht so viel zu spüren. Chinesische Bürgerrechtler und Zeitungen im politisch freieren Hongkong berichten von verstärktem Druck auf die unregistrierten Gemeinden, die sich den Kontrollen der Religionsbehörden und der für die Religionen zuständigen "Einheitsfrontabteilung" der Kommunistischen Partei nicht unterwerfen wollen.

Nicht nur in der Hauptstadt, sondern auch in anderen Teilen Chinas seien in den vergangenen Tagen Untergrund-Priester und Gläubige festgenommen oder unter Hausarrest gestellt worden, heißt es. Eine Reihe von nichtoffiziellen Hauskirchen, die in den vergangenen Jahren toleriert worden waren, wurden geschlossen.

Nach Schätzungen von Gläubigen existieren in Peking bis zu tausend solcher kleinen christlichen Gruppen, die sich häufig in Privatwohnungen, manchmal auch in Büros und Geschäftshäusern treffen. Vor allem die evangelischen Gemeinden haben großen Zulauf. In ganz China könnte die Zahl der staatlich unabhängigen Christen bereits auf bis zu 100 Millionen Menschen angewachsen sein.

Die Kampagne gegen die Religionsgruppen fällt in eine Zeit, in der die Behörden unter dem Mantel der Sicherheitsvorkehrungen für Olympia verschärft gegen Bürgerrechtler, kritische Intellektuelle und Bittsteller vorgehen, die sich für erlittenes Unrecht in ihren Heimatorten beschweren und deshalb in die Hauptstadt pilgern, um von den Pekinger Behörden Hilfe zu bekommen.

So hinderten Sicherheitsleute am Sonntag den christlichen Aktivisten Hua Huiqi daran, zur Kuanjie-Kirche zu fahren, wo der amerikanische Präsident George W. Bush den Gottesdienst besuchte. Hua, der sich gegen die Enteignung von Häusern in Peking engagiert hat und ein halbes Jahr wegen "Störung öffentlicher Angelegenheiten" in Haft saß, sei auf dem Weg zur Kirche in ein Auto gezogen und anschließend an einem unbekannten Ort festgehalten worden, heißt es. Der prominente Hauskirchen-Pastor Zhang Mingxuan war bereits vor Beginn der Spiele von Polizisten aus der Stadt verschleppt worden, damit er nicht mit ausländischen Journalisten sprechen kann.

11. August 2008