Gottesdienst am Gipfel - Evangelische Urlauberseelsorge bietet 500 Andachten im Freien an

Von Rieke C. Harmsen (epd)

München/Schleching (epd). Zweieinhalb Stunden sind sie den Berg hinaufgestiegen, vorbei an Fichten, Astern und Primeln. Dann zieht Pfarrer Martin Kühn Talar und Beffchen aus dem Rucksack und verteilt einen Stapel Liederbücher an die kleine Gruppe. "Geh aus, mein Herz, und suche Freud" ertönt es auf der Bergwiese. Ein paar Neugierige, die vorbeikommen, bleiben stehen und hören zu. Der Berggottesdienst auf dem Geigelstein bei Schleching ist einer von rund 500 Gottesdiensten im Freien, die die evangelische Landeskirche jeden Sommer in Bayern anbietet.

Die Gottesdienste am Gipfelkreuz oder am See sind das Markenzeichen der Urlauberseelsorge. "Das Angebot wird von Jahr zu Jahr größer", sagt Thomas Roßmerkel, der im Münchner Landeskirchenamt zuständig für die Urlauberseelsorge ist. "Manche Gemeinden bieten sogar alle zwei Tage etwas an." Die Kirche lässt sich das Angebot auch etwas kosten: Die Pfarrer werden für diese Aufgabe geschult, bekommen eine Dienstwohnung zur Verfügung gestellt und eine Aufwandsentschädigung. Für die Touristen gibt es Informationsblätter und kostenlose Broschüren wie das Magazin "Grüß Gott und Gute Zeit", das in den bayerischen Urlaubergemeinden ausliegt.

Um das Programm der "Kirche im Grünen" zu bewältigen, sind in Bayern 34 seelsorgerliche "Gastarbeiter" im Einsatz: Die am weitesten gereisten Urlauberpfarrer kommen in diesem Jahr aus Ungarn, unter den 13 Kurkantoren ist sogar ein Musiker aus Norwegen.

Die Angebotspalette der Sommergottesdienste reicht von niedrigen Almen bis in schwindelnde Höhen auf der Zugspitze: Zu den Andachten in der Kapelle Maria Heimsuchung auf 2.600 Meter müssen Besucher am weitesten hinauf. Wer den anstrengenden Aufstieg scheut, nimmt die Bergbahn - bei den meisten Berggottesdiensten ist der Aufstieg mittels Gondel möglich. Als besondere Erlebnisse gelten Seegottesdienste, Fackelwanderungen mit Andacht oder Sonnenaufgangsgottesdienste auf einem Schiff.

Für die Bergpfarrer ist der Gottesdienst am Gipfel eine Herausforderung. "Die Besucher sind in der Regel keine Kirchgänger - sie müssen leicht mitfeiern können, die Lieder müssen einfach und die Predigt so anschaulich sein wie die Umgebung", sagt Roßmerkel. Die Resonanz auf die Angebote sei sehr positiv. "Die Menschen sind im Urlaub offener für Sinnfragen und eher bereit, über ihr eigenes Leben nachzudenken", hat Roßmerkel beobachtet. Die Kirche habe in diesen Fragen etwas zu bieten. "Wenn Urlauber bei ihrer Rückkehr nach Hause sagen können, dass sie persönlich ein Stück weitergekommen sind, ist das ein Erfolg für uns."

Pfarrer Kühn, der aus der oberfränkischen Gemeinde Hirschaid-Buttenheim kommt, ist zufrieden: Nach dem Gottesdienst wird er mit seiner kleinen Gemeinde zur Brotzeit in die Wuhrsteinalm einkehren. Anschließend will er noch auf den 1.600 Meter hohen Breitenstein steigen und den Blick auf das Inntal und die Berchtesgadener Alpen genießen.

"Auf dem Berg finden ganz andere Begegnungen mit den Menschen statt als bei einem herkömmlichen Gottesdienst in einer Kirche", sagt Kühn. Und so wird er auch am kommenden Wochenende mit dem Talar im Rucksack auf einen Gipfel steigen, um einen Berggottesdienst zu feiern.

Internet: www.berggottesdienste.de