Kururlaub für die Seele

Pfarrer aus ganz Deutschland kommen als Kur- und Urlauberseelsorger nach Bayern

Von Rieke C. Harmsen

Bad Reichenhall (epd). Bayerisch spricht Gerlinde Theurich-Heumann aus dem niedersächsischen Bramsche noch nicht. Aber darauf kommt es für ihren Dienst im oberbayerischen Bad Reichenhall auch nicht an. "Als Kur- und Urlauberseelsorgerin muss ich vor allem ein offenes Ohr haben", sagt die Pastorin. Zusammen mit ihrem Ehemann Henning Theurich ist sie eine von 80 Pfarrerinnen und Pfarrern, die jährlich in bayerische Urlauberregionen ausschwärmen, um dort für drei bis vier Wochen zu arbeiten.

Die Kur- und Urlauberseelsorge in Bayern ist einzigartig für Deutschland: Keine andere Landeskirche investiere so viel Zeit und Geld in diesen Bereich, erklärt der zuständige Tourismusreferent im Landeskirchenamt, Thomas Roßmerkel. Insgesamt 84 Pfarrerinnen und Pfarrer sowie 44 Musiker aus ganz Deutschland wurden in diesem Jahr zum Dienst verpflichtet. Ein attraktiver Job, zumal sich dabei Urlaub mit Arbeit verbinden lässt.

Diese Mischung schätzt auch Pfarrerin Theurich-Heumann. "Ich habe gezielte Aufgaben, trage aber nicht die Verantwortung für die gesamte Arbeit", sagt sie. Im Urlaub haben die Menschen viel Zeit zum Nachdenken, ist ihre Erfahrung. Streit mit dem Partner, der schwierige Chef, die Sorge um die Zukunft können zu schweren Krisen führen. "Wir bieten deshalb regelmäßige Gesprächstermine an", sagt Theurich-Heumann. Dabei könnten Probleme diskutiert und nach Auswegen gesucht werden: "Wir sind keine Psychologen, aber wir können den Menschen helfen, das eigene Leben in einer anderen Art und Weise zu betrachten".

Oft gelinge ein anderer Blick auf das Leben am besten mit ganz konkreten Angeboten: "Bei einem Berggottesdienst in schöner Natur ist der Himmel doch gleich etwas näher", sagt die Pfarrerin und lacht. Ein biblischer Text wie die Bergpredigt bekäme dort eine ganz neue, sehr viel konkretere Bedeutung. Auch bestehe nach dem Gottesdienst auf der Berghütte oder bei der Wanderung die Chance, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.

Für den Theologe Jürgen Ziemer von der Universität Leipzig ist Seelsorge eine Form der Glaubenspraxis: "Seelsorge kann Menschen in ihren religiösen und sozialen Ängsten und Ungewissheiten trösten", erklärt Ziemer, der auch ein Buch zum Thema verfasst hat. Dabei stehe nicht das Sündenbekenntnis, sondern die Vergebung Gottes im Mittelpunkt. Auch für den Martin Luther habe Seelsorge sehr lebensnah ausgesehen, zumal der Reformator ständig gefordert gewesen sei von Krankheit, Trauer oder Depression.

Als Kommunikationsform begreift auch das Pfarrerehepaar Theurich-Heumann die Arbeit in Bad Reichenhall. Neben den Gottesdiensten und Gesprächen bieten sie deshalb auch Vorträge an. Mal geht es um Gelassenheit, mal um Weisheit, dann wieder um einen biblischen Text. Und natürlich besteht anschließend wieder die Gelegenheit für ein Gespräch. "Menschen entdecken im Urlaub oft eine andere Tiefendimension", sagt Pfarrer Heumann.

Für das Ehepaar ist die vierwöchige Tätigkeit als Kur- und Urlauberseelsorge jedenfalls jedes Mal ein Gewinn: "Wir fühlen uns beschenkt mit guten Gesprächen und schönen Erinnerungen", sagen sie. Auch im kommenden Jahr wollen sie wieder als Seelsorger arbeiten - dann allerdings an Bord eines Kreuzfahrtschiffes.

27. August 2008