Der Weltkirchenrat sucht neuen Generalsekretär - Führungsgremium berät in Lübeck

Von Jan Dirk Herbermann und Stephan Cezanne (epd)

Genf (epd). Wie geht es weiter im Weltkirchenrat? Der weltweit größte Dachverband christlicher Kirchen mit rund 560 Millionen Mitgliedern stellt ab dem 23. September in Lübeck die Weichen für eine neue Führung. Generalsekretär Samuel Kobia (60) aus Kenia, der erste Schwarzafrikaner an der Spitze, soll Ende 2008 ausscheiden. Ab Januar 2009 wird ein Interims-Generalsekretär die Geschäfte übernehmen. Im September 2009 dann will der Zentralausschuss des Ökumenischen Rates der Kirchen einen neuen regulären Generalsekretär wählen, der den Posten wahrscheinlich Anfang 2010 übernimmt.

Kobia hatte im Februar überraschend seinen Rückzug aus dem höchsten Leitungsamt der Ökumene verkündet – lange galt seine Wahl für eine zweite Amtszeit als Formsache. Vorausgegangen war heftige Kritik von Vertretern nordeuropäischer Kirchen an seiner Amtsführung – zu viele Reisen, zu wenig programmatische Arbeit.

Zudem gab es Irritationen um einen ungültigen Doktortitel, den Kobia geführt hatte. Er selbst nannte ausschließlich persönliche Gründe für seinen Rückzug. Vertreter südlicher Kirchen hingegen wollten Kobia zum Bleiben motivieren – sie warfen den nordeuropäischen Kirchen vor, Kobia "abserviert" zu haben. Die nordeuropäischen Kirchen weisen die Vorwürfe jedoch zurück. Kobias Wahl 2003 war vor allem als Sieg der südlichen Länder im Weltkirchenrat interpretiert worden, die heute die Mehrzahl der 349 ÖRK-Mitgliedskirchen stellen.

Der ÖRK lässt sich somit fast zwei Jahre Zeit, um die Kobia-Nachfolge zu regeln. Nächster Schritt ist die Tagung in Lübeck – der Exekutivausschuss soll in der Hansestadt einen Interims-Generalsekretär bestimmen. In Ökumenekreisen wird spekuliert, dass Kobia noch ein Jahr anhängen will und bis zum Amtsantritt des regulären Nachfolgers die Geschäfte des Weltkirchenrates führt. "Ich lehne dazu jeden Kommentar ab", sagt ÖRK-Sprecher Juan Michel auf Anfrage.

Insider gehen davon aus, dass nur eine Persönlichkeit aus Afrika als neuer Generalsekretär in Frage kommt. Anderenfalls drohe ein neuer Riss zwischen Nord und Süd. Die afrikanischen Kirchenvertreter im Weltkirchenrat würden die Wahl eines Nordeuropäers als Affront interpretieren.

Ein Findungsausschuss soll dem Zentralausschuss "idealerweise einen einzelnen Namen zur Approbation vorlegen", heißt es in der Genfer Zentrale. Kobia hatte 2003 noch einen Gegenkandidaten: den Norweger Trond Bakkevig. Als möglicher Kobia-Nachfolger wird der südafrikanische Methodisten-Bischof Mvume Dandala (55) genannt. Er gilt als wortgewandter und kluger Vermittler. Noch wichtiger ist: Dandala ist Afrikaner. Und er hat als Generalsekretär der All-Afrikanischen Kirchenkonferenz gelernt, einen Kirchenbund zu führen.

Der Weltkirchenrat fand sich zuletzt auch wegen seiner unzureichenden Außendarstellung in der Kritik. Der Rat brauche jetzt eine charismatische Führungspersönlichkeit, die "furchtlos die Stimme der Christen auf Weltebene artikuliert", fordert die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann.

18. September 2008

Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)