Dringliche Appelle an EU für Aufnahme von Irak-Flüchtlingen

Berlin/Genf (epd). Zwei Tage vor dem Treffen der EU-Innen- und Justizminister haben Parteien, Kirchen, Hilfsorganisationen und die Vereinten Nationen eine rasche Aufnahme irakischer Flüchtlinge in Europa gefordert. Das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) appellierte am Dienstag in Genf an die Europäische Union, ihren Schutz für Iraker auszuweiten. Die Sicherheitslage im Irak lasse derzeit eine Rückkehr der Menschen nicht zu.

Das UNHCR forderte die EU auf, sich endlich an Resettlement-Programmen der UN zu beteiligen. Dabei verteilt das UNHCR Flüchtlinge nach festgelegten Quoten auf aufnahmefähige Länder. Seit April 2007 hat das UNHCR nach eigenen Angaben 14.600 irakische Flüchtlinge aus Syrien, Jordanien und anderen Ländern in sichere Länder übersiedelt. Die USA hätten 60 Prozent der Flüchtlinge aufgenommen, die EU nur zehn Prozent.

Die Flüchtlingsorganisationen Pro Asyl und amnesty international schlossen sich dieser Forderung an. Sollte bei dem Treffen der EU-Innen- und Justizminister eine Entscheidung abermals vertagt werden, müsse die Bundesregierung allein handeln, sagte die Flüchtlingsreferentin von amnesty, Julia Duchrow. Der Europa-Referent von Pro Asyl, Karl Kopp, nannte unter Berufung auf Angaben der beiden großen Kirchen die Größenordnung von 30.000 Flüchtlingen. Kriterium für die Aufnahme müsse aber die Schutzbedürftigkeit der Menschen sein und nicht die Religionszugehörigkeit.

Auf EU-Ebene müsse dringend eine gemeinsame Lösung gefunden werden, erklärten auch der Vorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU (EAK), Thomas Rachel, und die Kirchenbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ingrid Fischbach (CDU). Sollten sich die EU-Innenminister am Donnerstag nicht verständigen können, solle Deutschland mit gutem Beispiel vorangehen. "Die lebensbedrohliche Situation religiöser Minderheiten im Irak ist unverändert brisant", sagten Rachel und Fischbach. Die Aufnahmestaaten Syrien und Jordanien seien mit der massenhaften Zahl an Flüchtlingen überfordert.

Auch Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) forderte einen Alleingang Deutschlands. "Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie wahr macht, was von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble angekündigt wurde, und einseitig vorangeht", sagte Körting am Montagabend in Berlin. Schäuble wollte zunächst insbesondere Christen aus dem Irak Zuflucht gewähren. Dieser Vorstoß stieß in der EU jedoch auf Vorbehalte. Über die Aufnahme irakischer Flüchtlinge unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit wollen die EU-Innenminister erneut am Donnerstag sprechen. Mit einer Entscheidung sei aber nicht zu rechnen, hieß es aus Diplomatenkreisen in Brüssel.

Körting warnte davor, das Thema erneut zu verschieben. "Wenn nicht jetzt, dann wird es bis Herbst 2009 nichts mehr", sagte der SPD-Politiker mit Blick auf die Bundestagswahlen und den Wahlkampf im kommenden Jahr. Zugleich mahnte Körting ein stärkeres Engagement der Kirchen in dieser Frage an. Ein Spitzengespräch der obersten Repräsentanten der beiden großen Kirchen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wäre hilfreich, sagte Körting.

Der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Prälat Stephan Reimers, erneuerte die EKD-Forderung nach einer schnellen Aufnahme der Flüchtlinge. Ein weiterer Aufschub sei nicht mehr zu rechtfertigen. Die Menschenrechtslage im Irak habe sich nicht gebessert. Vor allem für Menschen, die auf absehbare Zeit nicht in ihre irakische Heimat zurückkehren können, stelle die Aufnahme in Europa den einzigen Ausweg aus ihrer Not dar. Reimers betonte: "Diese Hoffnung zu enttäuschen ist schlicht grausam."

Die Grünen riefen die Bundesregierung und die Bundesländer zu einer Kurskorrektur auf. Sie müssten ihre Blockade aufgeben und den Menschen Schutz gewähren, erklärte die Parteivorsitzende Claudia Roth. Merkel habe ein Herz aus Stein und überlasse die irakischen Flüchtlinge ihrem Elend.

Nach UN-Angaben leben rund zwei Millionen irakische Flüchtlinge in den Nachbarländern Jordanien und Syrien. Davon gehören 800.000 religiösen Minderheiten an. Ungefähr drei Viertel der irakischen Christen sind aus dem Irak geflohen.

23. September 2008

EKD-Pressemitteilung „Weiterer Aufschub der Aufnahme von Flüchtlingen unverantwortlich“