Käßmann: Sonntagsarbeit setzt Spirale ohne Ende in Gang

Hannover (epd). Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann hat vor einer generellen Öffnung der Geschäfte am Sonntag gewarnt. Dies setze eine unheilvolle Spirale ohne Ende in Gang, sagte sie am Dienstagabend bei einer Diskussionsveranstaltung des NDR in Hannover: "Wenn viele am Sonntag einkaufen wollen, müssen auch viele andere arbeiten." Dann gerieten etwa alleinerziehende Verkäuferinnen unter Druck, und es stelle sich die Frage, ob auch die Kindergärten am Sonntag geöffnet werden sollten. Dann wiederum müssten die Erzieherinnen arbeiten.

"So wird das Gewebe, das die Gesellschaft zusammenhält, zerstört", sagte Käßmann. Ohne einen gemeinsamen Ruhetag gingen Solidarität und Gemeinschaft verloren: "Ich fürchte, die Gesellschaft wird egomanisch, wenn jeder nur noch für sich selbst plant." Gerade in der betriebsamen Hektik der Gegenwart, die von Handys und Mobilität geprägt sei, seien Pausen dringend nötig: "Für tiefere Fragen brauchen wir mehr als zwei Minuten Ruhe." Ohne den Rhythmus von Schaffen und Ruhen drohe ein kollektives Burn-out-Syndrom.

Der Bonner Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder sagte, bestimmte Lebensrhythmen seien dem Menschen vorgegeben, etwa durch Tag und Nacht oder die Jahreszeiten: "Solchen Rhythmen Rechnung zu tragen ist allen Kulturen auf der Welt gemeinsam." Diese Rhythmen seien nötig, um die Zeit und das eigene Leben erfahrbar zu machen. "Wenn wir diesen Rhythmus abschaffen, wird das Pendel zurückschlagen", sagte Hirschfelder. Die Vereinzelung werde zunehmen, Familienstrukturen würden zerstört.

24. September 2008