Luthers Ablassthesen kommen unter die Lupe

Paderborn/Straßburg (epd). Zwei renommierte Ökumene-Institute wollen in einem internationalen Projekt Luthers Ablassthesen unter die Lupe nehmen. Man wolle untersuchen, warum die 1517 veröffentlichten 95 Thesen zur Spaltung der abendländischen Kirche führten, erklärten am Mittwoch das Institut für ökumenische Forschung des Lutherischen Weltbundes in Straßburg und das Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik in Paderborn. Anlass des Projektes sei der 500. Jahrestag der Reformation im Jahr 2017.

Ziel sei nicht die Erarbeitung eines ökumenischen Konsenstextes. Das historische Projekt steht den Initiatoren zufolge dennoch im engen Zusammenhang mit den ökumenischen Bemühungen, die gegenseitigen Lehrverurteilungen der Kirchen aufzuarbeiten. Die Überwindung der Spaltungen innerhalb der Christenheit stehe daher im Vordergrund.

Für das Projekt ist den Angaben zufolge eine internationale Forschergruppe von Theologiehistorikern und systematischen Theologen einberufen worden, in der Lutheraner und Katholiken gemeinsam an der Kommentierung nach ökumenischen Standards zusammenarbeiten. Die gesamte Arbeit an der Kommentierung soll 2013 fertiggestellt sein. Das handbuchartige Projekt ist gedacht für Wissenschaftler, Studenten und akademisch gebildetes Publikum.

Zu den ökumenischen Erfolgen der vergangenen Jahre habe in erster Linie ein über viele Jahrzehnte geführter, historisch und theologiegeschichtlich angelegter Diskurs über Ursache, Verlauf und Wirkung der Reformation beigetragen, erklärten die Theologieprofessoren Wolfgang Thönissen (Paderborn) und Theodor Dieter (Straßburg): "Das Ergebnis ist deutlich: Es kann das gemeinsame Urteil gefällt werden, dass die Spaltung nicht in die Wurzel des gemeinsamen christlichen Erbes eingedrungen ist." Diese Einsicht müsse freilich immer wieder neu eingeholt werden.

Luthers Ablassthesen seien ursprünglich Disputationsthesen für die Diskussion, keine dogmatischen Sätze, hieß es weiter. Sie dienten der Klärung von Streitfragen. Die Thesen seien nicht gegen den Ablass als solchen, sondern gegen dessen Missbrauch gerichtet. "Sie verdanken sich dem seelsorgerlichen Anliegen, das Luther in der damaligen Ablasspraxis erspürte", betonten die Institute. Zentrales Motiv der Ablasskritik Luthers sei die Sorge um das Wort Gottes im Zeugnis der Heiligen Schrift.

Unter Ablass versteht die katholische Kirche den Erlass von Sündenstrafen, die auf Erden oder nach römischer Lehre sogar nach dem Tod im Fegefeuer abzugelten sind. Mit dieser Lehre unterscheidet sich die römisch-katholische Glaubenslehre wesentlich vom Protestantismus. Die Reformation im 16. Jahrhundert entzündete sich vor allem an der Kritik Martin Luthers (1483-1546) an bizarren Formen der Ablasspraxis der damaligen Kirche.

01. Oktober 2008