Schifffahrt: Experten warnen vor Isolation an Bord

Bremerhaven (epd). Die soziale Isolation im Arbeitsalltag an Bord von Handelsschiffen belastet nach Angaben von Experten zunehmend die Psyche der Seeleute. Besonders die immer kürzeren Liegezeiten in den Häfen seien ein Problem, warnte am Mittwoch in Bremerhaven Joris De Hert, Vertreter der Internationalen Transportarbeiter-Gewerkschaft ITF. "Psychische Krankheiten an Bord nehmen zu", ergänzte der Antwerpener Hafenarzt Rob Verbist bei einer internationalen Konferenz von Seemannsmissionaren aus Westeuropa, die noch bis Freitag andauert.

Wer psychische Probleme habe, verschweige sie möglichst vor dem Kapitän, weil er um seinen Job fürchte, sagte der Mediziner. Zusammen mit dem Gewerkschafter De Hert forderte er die etwa 50 Konferenzteilnehmer dazu auf, die soziale Isolation der Seeleute zu durchbrechen. Wichtig seien Bordbesuche und technische Möglichkeiten zur Kommunikation mit der Familie in der fernen Heimat, hieß es. Deshalb seien Internet und preiswerte Telefone in den weltweit 526 Zentren unter dem Dach der Internationalen Christlichen Seemannsmissionen ICMA wichtig.

Wenige Unternehmen realisierten, dass nur ein zufriedenes Crewmitglied auch ein produktiver Seemann sei, kritisierte Gewerkschaftssekretär De Hert. So biete etwa die dänische Reederei Maersk ihren Mannschaften kostenlosen Kontakt zur Heimat. "Seeleute begrüßen, besuchen, beraten und begleiten - das sind unsere Aufgaben", sagte ICMA-Vorsitzender Hero Feenders dem epd. Der Theologe ist gleichzeitig Generalsekretär der in Bremen ansässigen Deutschen Seemannsmission, zu der 16 Inlands- und 17 Auslandsstationen zählen.

09. Oktober 2008

Deutsche Seemannsmission

Internationale Christliche Seemannsmission (ICMA)


"Wie im Gefängnis" - Seeleute leiden unter Isolation an Bord

Von Dieter Sell (epd)

Bremerhaven (epd). Von der Seefahrer-Romantik früherer Zeiten ist auf den Weltmeeren wenig übrig. Die Besatzungen werden kleiner, die Liegezeiten in den Häfen kürzer, die Zeiten für einen Landgang knapper. "Viele Crewmitglieder fühlen sich an Bord wie im Gefängnis", sagt Joris De Hert von der Internationalen Transportarbeiter-Gewerkschaft ITF. In Bremerhaven diskutieren noch bis zum Freitag Delegierte christlicher Seemannsmissionen aus ganz Westeuropa, wie die schwierige Situation der Seeleute verbessert werden kann.

50 Vertreter konfessioneller Organisationen aus Spanien, Frankreich, Belgien, Großbritannien, Irland, den Niederlanden und Deutschland sind zu dem Treffen unter dem Dach der Internationalen Christlichen Seemannsmissionen ICMA gekommen. "Der Umschlag der Container wird ständig beschleunigt", erläutert ICMA-Vorsitzender Hero Feenders, der auch Generalsekretär der Deutschen Seemannsmission mit Sitz in Bremen ist. "Die Fahrpläne sind so eng gestrickt, dass das Umfahren eines Sturmtiefs fast schon einem Verbrechen gleichkommt, weil der Druck so groß ist."

Noch vor zehn Jahren war die Mehrzahl der Seeleute zufrieden mit der Zeit, die zum Entspannen an Land blieb. "Heute hat sich die Situation gedreht, viele haben niemals die Gelegenheit, von Bord zu gehen", warnt Gewerkschaftssekretär Joris De Hert aus Antwerpen. Oft reiche die Zeit nur, um sich im Hafen die Beine zu vertreten. Und selbst das sei aus Sicherheitsgründen meist schwierig. "Außerdem sieht die Welt im Hafen überall gleich aus."

In dieser Isolation würde der Kontakt mit der Familie über Telefon oder E-Mail helfen. "Alle Schiffe haben mittlerweile Internet - aber meist nur für den dienstlichen Gebrauch", schränkt De Hert ein. "Oder die Seeleute müssen für die Nutzung zahlen, was für sie zu teuer ist." Der kostenlose Draht zur fernen Heimat, wie ihn etwa die dänische Maersk-Reederei möglich macht, ist eine Ausnahme. "Wenige Unternehmen realisieren, dass nur ein zufriedenes Crewmitglied auch ein produktiver Seemann ist", kritisiert De Hert.

Die Seemannsmissionen bieten in ihren Zentren Internet und Telefonzellen an, damit wenigstens beim Landgang ein Gespräch mit der Familie möglich ist. "Psychische Krankheiten an Bord nehmen zu", berichtet Rob Verbist, Hafenarzt in Antwerpen. Wer Probleme habe, verschweige sie möglichst vor dem Kapitän, weil er um seinen Job fürchte. "Wichtig ist es, die Isolation aufzubrechen", sagt auch der Mediziner, der eine steigende Anzahl von Suiziden unter den Seeleuten registriert.

Der katholische Seemannsmissionar Andre Quintelier aus dem belgischen Gent versteht sich auch als Fürsprecher: "Wir müssen Druck ausüben, damit sichergestellt wird, dass die Seeleute die richtige Hilfe bekommen." ICMA-Chef Hero Feenders fasst zusammen, was für fast 1.000 Seelsorger in 526 Zentren unter dem Dach des Verbandes im Kampf gegen die soziale Isolation an erster Stelle steht: "Seeleute begrüßen, besuchen, beraten und begleiten - das sind unsere Aufgaben."

09. Oktober 2008