Hilfsorganisationen: Finanzkrise für Gesellschaftsreform nutzen

Berlin (epd). Hilfsorganisationen und Umweltschützer haben dazu aufgerufen, die aktuelle Finanzkrise als Anstoß hin zu einer nachhaltigen Gesellschaftsreform zu nehmen. Nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch bei der grenzenlosen Ausbeutung der Natur lebe die Menschheit auf Pump, sagte der Vorsitzende des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger, am Dienstag in Berlin: "Der Kollaps der Natur wird nicht mit Milliardengeldern zu reparieren sein." BUND, der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) und Brot für die Welt stellten die Studie "Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt" vor, die einen Politikwechsel fordert.

Die Autoren des 650-seitigen Buches befürworten unter anderem eine klare Hinwendung hin zur Solarwirtschaft und zur Selbstbegrenzung beim Wirtschaftswachstum. Daneben fordern sie, die Menschenrechte als die "heimliche Verfassung der Weltgesellschaft" anzuerkennen und nach ihren Maßgaben zu handeln. Einer der Verfasser der Studie, Wolfgang Sachs vom Wuppertal Institut, warnte, der Zusammenbruch der Finanzmärkte könnte zum Vorläufer des ökologischen Kollaps werden: "Es handelt sich um dieselbe Geschichte der Verleugnung und Verneinung."

Der Parlamentarische Staatssekretär im Umweltministerium, Michael Müller, sagte, erstmals in der Geschichte hätten wir es mit dem Auftreten von mehreren Krisen zugleich zu tun: Den Turbulenzen auf den Finanzmärkten, der Endlichkeit der Rohstoffe, dem Klimawandel und dem weltweiten Hunger. Jetzt müsse es darum gehen, die "Welt des Dschungelcamps" zu überwinden und eine andere Form von Fortschritt und Entwicklung zu finden.

Der frühere Bundesumweltminister Klaus Töpfer setzt nach eigenen Angaben auf die reinigende Wirkung der Finanzkrise, um einen "anderen Ordnungsrahmen" zu finden. Es dürfe nicht nur darum gehen, dass die Kurse wieder steigen, sagte er. Es müsse auch über institutionelle Veränderungen etwa der Vereinten Nationen diskutiert werden, sagte er.

In Deutschland allein solle keine "ökologische Insel der Seligen" geschaffen werden, sagte der EED-Vorstandsvorsitzende Konrad von Bonin. Bei der Zukunftsfähigkeit des Landes dürfe die internationale Dimension nicht vergessen werden: "Wenn die Gerechtigkeitsfrage nicht überzeugend beantwortet wird, wird auch die Bewahrung unserer Umwelt nicht gelingen."

Die Direktorin von Brot für die Welt, Cornelia Füllkrug-Weitzel, nannte die Studie eine "prophetische Provokation". Neben dem Buch solle jetzt verstärkt mit Öffentlichkeitsarbeit im Unterricht, bei Gottesdiensten oder auch in Ausstellungen die Diskussion um eine andere Gesellschaft angestoßen werden.

Buchhinweis: Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt, Hrsg: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Brot für die Welt, Evangelischer Entwicklungsdienst; Fischer Taschenbuch Verlag, 650 Seiten, 14,95 Euro, ISBN 978-596-17892-6.

14. Oktober 2008