Entwicklungsorganisationen fordern gezielte Hungerbekämpfung

Berlin/Frankfurt a.M. (epd). Zum Welternährungstag am heutigenDonnerstag haben Hilfsorganisationen und die Bundesregierung ein größeres Engagement der Staatengemeinschaft bei der Bekämpfung des Hungers gefordert. Essen sei in vielen armen Staaten für die Menschen zum Luxus geworden, heißt es in einer Studie von "Brot für die Welt" und "Germanwatch", die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) nannte es einen Skandal, dass zu Beginn des 21. Jahrhunderts weilweit fast eine Milliarde Menschen hungerten.

"Wenn die internationale Gemeinschaft für die Rettung des Finanzsystems innerhalb kürzester Zeit viele Hundert Milliarden Dollar mobilisieren kann, muss es auch möglich sein, die Milliardenbeträge zu mobilisieren, die notwendig sind, um die Welt vor Hunger und Armut zu retten", erklärte die Ministerin. Die Entwicklungsländer hätten unter einer dreifachen Krise zu leiden. Sie seien sowohl von den massiv gestiegenen Nahrungsmittel- und Treibstoffpreisen als auch von der Finanzkrise betroffen, die ihr Wachstum gefährde.

Caroline Callenius von "Brot für die Welt" sagte, ein Perspektivwechsel sei notwendig, um der Krise zu begegnen. Angesichts gestiegener Lebensmittelpreise müssten arme Bauer und Viehhalter unterstützt werden. Tobias Reichert von "Germanwatch" begrüßte, dass die Bundesregierung 600 Millionen Euro zusätzlich zur Förderung der Landwirtschaft in Entwicklungsländern zur Verfügung stellt.

Als preistreibende Faktoren der vergangenen beiden Jahre nannte Reichert unter anderem die gestiegene Nachfrage und Produktion nach Agrartreibstoffen, hohe Energiepreise sowie die Spekulationen an den Rohstoff- und Lebensmittelbörsen. Zudem sei die Nachfrage wegen Bevölkerungswachstum und Klimaveränderung gestiegen.

Nach Angaben der UN-Welternährungsorganisation FAO ist die Zahl der Hungernden 2007 weltweit um rund 75 Millionen auf 923 Millionen gestiegen. Dabei erinnerte Callenius an das von den Vereinten Nationen im Jahr 2000 formulierte "Millenniumsziel", die Zahl der unterernährten Menschen bis 2015 zu halbieren.

Auch nach Einschätzung der Hilfsorganisation Oxfam hat die Staatengemeinschaft bislang völlig unzureichend auf die Nahrungsmittelkrise reagiert. Innerhalb von etwas mehr als einem Jahr habe sich der Weizenpreis beispielsweise im Senegal verdoppelt. Dennoch wurde laut Oxfam von den versprochenen 12,3 Milliarden US-Dollar Hilfsgeldern für die Opfer der Hungerkrise lediglich eine Milliarde ausgezahlt. Gleichzeitig überfluteten die Industriestaaten die Märkte der Entwicklungsländer mit Überschusswaren, statt die Landwirtschaft vor Ort zu stärken, um sie Ernährungssicherheit in den Entwicklungsländern zu fördern.

Das katholische Hilfswerk Misereor und die Heinrich-Böll-Stiftung forderten einen Kurswechsel der internationalen Agrarpolitik. Neben Geld seien neue Strategien notwendig, auch in der Energie-, Handels- und Wettbewerbspolitik. Zudem müssten die Börsen besser reguliert werden, um Spekulationen zu vermeiden, die die Nahrungsmittelpreise antrieben, hieß es in einer gemeinsamen Studie.

Zum Welternährungstag am Donnerstag wollen entwicklungs- und umweltpolitische Organisationen in Berlin unter dem Motto "Agrosprit macht Hunger" in Berlin demonstrieren. Mit dem Protestzug solle auf die "fatalen Auswirkungen von Agrokraftstoffen auf Kleinbauern in den Entwicklungsländern und auf die Umwelt aufmerksam gemacht werden", teilte das globalisierungskritische Netzwerk Attac mit. Neben Attac wird die Demonstration unter anderem vom Inkota-Netzwerk und dem Verein "Rettet den Regenwald" organisiert.

Für eine neue Handelspolitik rufen unter anderen die Menschenrechtsorganisation FIAN, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und Germanwatch zu einer Demonstration ebenfalls in Berlin auf. Die EU dürfe die Länder des Südens nicht dazu zwischen, ihre Märkte zu öffnen. Bei der anstehenden Milchmarktreform müsse sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass europäische und afrikanische Bauern faire Preise erhielten.

16. Oktober 2008