Finanzkrise: Bischof Ulrich fordert Ethikdebatte

Kiel/Karlsruhe (epd). Der Schleswiger Bischof Gerhard Ulrich hat angesichts der Banken- und Finanzkrise eine gesellschaftliche Debatte über Wirtschaftsethik gefordert. "Es gilt, die Grenzen und Möglichkeiten des Marktes zu klären und den Umgang mit anvertrauten Gütern besser einzuüben", schreibt der Vorsitzende der nordelbischen Kirchenleitung in der evangelischen Wochenzeitung "Die Nordelbische". "Die verschwundenen Milliarden wären für die Armutsbekämpfung so wichtig", betont der evangelische Theologe. Die Finanzkrise sowie die Frage nach geeigneten Kapitalanlagen beschäftigen auch die badische evangelische Landessynode bei ihrer Herbsttagung in der kommenden Woche.

Es müsse jetzt eine Debatte darüber geführt werden, auf welche Werte die Gesellschaft baut, schreibt Ulrich. Es gehe nicht darum, den Markt zu verdammen. Vielmehr müsse geklärt werden, wie die Kräfte der Märkte stärker für den Kampf um Gerechtigkeit eingesetzt werden könnten. "Wir lernen, dass der Markt vieles kann. Aber er kann nicht das Leben regeln. Hier sind wir als Kirche gefragt in unserem Dienst für Gerechtigkeit und Frieden in der Welt."

In der badischen Landeskirche scheint die weltweite Finanzkrise unterdessen keine großen Einbußen zu bewirken. Synodalpräsidentin Margit Fleckenstein sagte dem epd, genaue Zahlen lägen ihr zwar noch nicht vor, doch habe die badische Landeskirche "nichts Schlimmes zu befürchten". Der für das Finanzwesen in der badischen Landeskirche zuständige Hermann Rüdt bestätigte diese Einschätzung. "Wir sind vom Profil her eher konservative, langfristige Anleger und mussten nur geringe Kursverluste hinnehmen", sagte Rüdt.

Die badische Landeskirche und die benachbarte Evangelische Kirche in Hessen und Nassau hatten in diesem Sommer die britische Fondgesellschaft F&C beauftragt, für ihre Aktienbestände auf die Einhaltung von Umwelt- und Ethikkriterien hinzuwirken. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg hatte 4,3 Millionen Euro aus Rücklagen bei der US-Bank Lehman Brothers angelegt, die nach deren Zusammenbruch voraussichtlich verloren sind.

16. Oktober 2008


Weitere Information: Landesbischof Frank Otfried July (Stuttgart) zur Finanzkrise (mit Videobotschaft) vom 17 Oktober 2008


Theologe: Schneller Profit darf nicht alleiniges Wirtschaftsziel sein

Hannover (epd). Der Geistliche Vizepräsident des Landeskirchenamtes Hannover, Arend de Vries, fordert mit Blick auf die weltweite Finanzkrise ein nachhaltiges Wirtschaften. Der schnelle Profit dürfe nicht das alleinige Ziel sein, schreibt de Vries in der in Hannover erscheinenden "Evangelischen Zeitung". Vertrauen könne nur dann entstehen, wenn "Verantwortung für unsere Zukunft und das Ziel einer gerechten Welt das Handeln der Finanzmanager leitet". Er halte die meisten Finanzmanager persönlich für sehr integer, so de Vries. Allerdings sei die Versuchung sehr groß, "um des schnellen Gewinns und der Börsennotierung willen eigene ethische Grundsätze zu verlassen".

Es sei nicht hinzunehmen, argumentierte der Theologe, dass Arbeiter in den Entwicklungsländern, Rentnerinnen in den USA und Beschäftigte am Fließband die Folgen der Finanzkrise tragen müssten, während Manager, die versagt hätten, noch abgefunden würden. Man könne nur "ungläubig" staunen über die Erwartung von Wirtschaftspolitikern, dass der Staat und damit die Steuerzahler die Folgen des Fiaskos tragen.

17. Oktober 2008