Köhler: Kirche ohne Diakonie nicht vorstellbar

Beschäftigten-Proteste begleiten Abschluss des Wichernjahres

Hamburg (epd). Bundespräsident Horst Köhler hat beim Festakt zum Abschluss des Wichernjahres die Bedeutung tätiger Nächstenliebe für den christlichen Glauben herausgestellt. "Eine Kirche ohne Diakonie kann ich mir nicht vorstellen", sagte Köhler am Mittwoch in Hamburg. Diakonisches Handeln mache auch heute die christliche Botschaft glaubwürdig. Die Feiern zum Abschluss des Wichernjahres wurden begleitet von Protesten Beschäftigter der Diakonie aus dem gesamten Bundesgebiet, die in Hamburg für höhere Löhne in der evangelischen Wohlfahrt demonstrierten.

Johann Hinrich Wichern (1808-1881) gilt als einer der bedeutendsten Vertreter des Protestantismus. Aus dem sozialen und politischen Engagement des in Hamburg geborenen Theologen ging das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hervor. Aus Anlass seines 200. Geburtstages wurde 2008 das Wichernjahr begangen. Im Rahmen der jährlichen Diakonischen Konferenz wurde es am Mittwoch offiziell beendet.

Köhler hob besonders das Engagement der ehrenamtlichen Helfer hervor. Sie hätten wesentlich zum guten Ruf von katholischer Caritas und evangelischer Diakonie beigetragen. Ohne ehrenamtliches Engagement wäre die Gesellschaft ärmer und kälter.

Vor dem Festakt hatten nach Angaben der Gewerkschaft ver.di rund 1.000 Diakonie-Beschäftigte ihrer Forderung nach einem Lohnplus von rund sechs Prozent mit einer Protestkundgebung Nachdruck verliehen. Hintergrund ist der bundesweite Tarifkonflikt für rund 150.000 Diakonie-Beschäftigte, der seit neun Monaten schwelt. Die Tarifverhandlungen waren ins Stocken geraten, nachdem die Arbeitnehmervertreter das bereits im Juli ausgehandelte Schlichtungsergebnis abgelehnt hatten. Ihnen sind die bis 2010 in Aussicht gestellten Lohn- und Gehaltserhöhungen von jährlich zwischen zwei und vier Prozent zu niedrig.

Diakonie-Präsident Klaus-Dieter Kottnik sieht die Tarifgespräche "in einer verfahrenen Situation", wie er auf der Diakonischen Konferenz sagte. Der Vorstand der Bundesdiakonie habe sich deshalb den zerstrittenen Verhandlungspartnern als Vermittler angeboten. Kottnik machte zugleich deutlich, dass der Bundesverband am sogenannten Dritten Weg festhalte. Dieser erlaubt den Kirchen und der kirchlichen Wohlfahrt, die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter nach einem eigenen kirchlichen Arbeitsrecht festzulegen.

Kottnick kritisierte zudem die geplanten Arbeitsmarktreformen der Bundesregierung. Er bezweifelte, dass die neuen Regelungen den Erwerbslosen, die Unterstützung und Förderung benötigen, wirklich weiterhelfen. Das Bundeskabinett hatte in der vergangenen Woche einen Gesetzentwurf beschlossen, mit dem die Förderung und Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen reformiert werden soll. Ziel ist es, die unübersichtliche Zahl der Eingliederungsmaßnahmen zu verringern. Die Diakonie befürchtet indes, dass das geplante Gesetz sich am Ende als "Sparprogramm zu Lasten der Arbeitslosen" entpuppen könnte.

23. Oktober 2008