EKD: Reformationstag soll bundesweit gesetzlicher Feiertag werden

Berlin (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) appelliert an die Bundesländer, den Reformationstag bundesweit zum gesetzlichen Feiertag zu machen. "Man muss daran erinnern, dass wir den Buß- und Bettag als bundesweiten evangelischen Feiertag verloren haben", sagte der EKD-Ratsvorsitzende, Bischof Wolfgang Huber, am Donnerstag in einem epd-Gespräch. Der Reformationstag ist bisher nur in den neuen Bundesländern, nicht aber in Berlin und im alten Bundesgebiet gesetzlicher Feiertag. Der Berliner Bischof forderte: "Die anderen Bundesländer könnten in diesem Fall einmal den östlichen Ländern folgen."

Huber hält es im Nachhinein für einen Fehler, dass der Buß- und Bettag zugunsten der Finanzierung der Pflegeversicherung aufgegeben worden ist. "Im Rückblick muss man die Abschaffung in einer Nacht- und- Nebel-Aktion sehr bedauern", sagte der oberste Repräsentant der rund 25 Millionen Protestanten in Deutschland. Der Widerstand, den es in der evangelischen Kirche gab, sei nicht schnell genug bei den politischen Akteuren angekommen. "Es wäre angezeigt, einen anderen evangelischen Feiertag, nämlich den Reformationstag, überall zum Feiertag zu machen", sagte Huber.

Der EKD-Ratsvorsitzende sieht den Halloween-Kult zum 31. Oktober kritisch. Die evangelische Kirche müsse mit der eigenen Gestaltung des Reformationstages "eine solche Sogkraft entfalten, dass Halloween dahinter zurücktritt". Nach seinem Eindruck verbrauche sich der Halloween-Kult. "Ein Fest, das so unklar in seinem Inhalt ist und sich auf ein wenig Budenzauber beschränkt, kann sich nicht auf Dauer durchsetzen", sagte der Bischof.

In kirchlichen Kindergärten soll nach Hubers Auffassung nicht Halloween gefeiert werden. "In einem evangelischen Kindergarten sollte jeder wissen, was am 31. Oktober ist, nämlich Reformationstag." Er begrüßte, dass in einigen Regionen das Reformationsfest inzwischen auch ökumenisch gefeiert werde.

Mit dem Reformationsfest wird an den legendären Thesenanschlag Martin Luthers am 31. Oktober 1517 in Wittenberg erinnert, der als Auslöser für die Reformation in Deutschland gilt. Die EKD hat im Herbst dieses Jahres die Zeit bis zum 500. Reformationsjubiläum als Luther-Dekade ausgerufen und bis 2017 zahlreiche Aktionen angekündigt.

30. Oktober 2008


Das Interview des EKD-Ratsvorsitzenden mit epd im Wortlaut:

Bischof Huber: Kampf gegen Klimawandel nicht wegen Finanzkrise aufschieben

EKD will Reformationstag bundesweit zu gesetzlichem Feiertag machen

Berlin (epd). Der Reformationstag soll nach Auffassung des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, gesetzlicher Feiertag in allen Bundesländern werden. Nach der Streichung des Buß- und Bettags sei es angezeigt, einen anderes evangelisches Fest bundesweit zum Feiertag zu machen, sagte Huber am Donnerstag in einem epd-Interview. Mit Blick auf bevorstehende EKD-Synode in Bremen forderte der Theologe, die Anstrengungen zum Klimaschutz nicht wegen der Finanzmarktkrise zu vernachlässigen. Das Weltklima ist Themenschwerpunkt des Kirchenparlaments, das am Sonntag in Bremen zusammenkommt. Mit dem Berliner Bischof sprach epd-Redakteur Thomas Schiller

epd: 2017 jährt sich zum 500. Mal Luthers Thesenanschlag in Wittenberg. Was bedeutet das nahende Jubiläum für das Reformationsfest in diesem Jahr?

Huber: Wir haben in diesem Jahr die so genannte Luther-Dekade begonnen, die von 2008 bis 2017 dauert. Wir verbinden sie mit der Reformdekade, die unter der Überschrift "Kirche im Aufbruch" steht. Einerseits wird der Weg, den Martin Luther gegangen ist, in ökumenischer Offenheit "abgeschritten", im Herbst 1508 kam Luther Wittenberg an. Genauso wichtig ist es, dass wir uns noch heute als Kirche im Aufbruch verstehen. Der Reformprozess, den wir seit der Veröffentlichung des Impulspapiers "Kirche der Freiheit" im Sommer 2006 vorbereitet haben, wird mit diesem Reformationsfest und der anschließenden EKD-Synode in Bremen weiter in Gang gebracht.

epd: Der Reformationstag ist nur in ostdeutschen Bundesländern außer Berlin gesetzlicher Feiertag. Muss das bis 2017 so bleiben?

Huber: Die Verantwortlichen in allen Bundesländern sollten überlegen, den Reformationstag zum gesetzlichen Feiertag zu machen. Man muss daran erinnern, dass wir den Buß- und Bettag als bundesweiten evangelischen Feiertag verloren haben. Die Gründe für die Abschaffung haben sich im Nachhinein als nicht stichhaltig erwiesen. Es wäre angezeigt, einen anderen evangelischen Feiertag, nämlich den Reformationstag, überall zum Feiertag zu machen. Die anderen Bundesländer könnten in diesem Fall einmal den östlichen Ländern folgen.

epd: War die evangelische Kirche zu nachgiebig bei der Aufgabe des Buß- und Bettags?

Huber: Im Rückblick muss man die Abschaffung in einer Nacht- und Nebel-Aktion sehr bedauern. Der Widerstand, den es in der evangelischen Kirche gab, ist nicht schnell genug bei den politischen Akteuren angekommen. Und bei manchen ist die Verteidigung des Buß- und Bettages wohl hinter das politische Vorhaben, die Pflegeversicherung voranzubringen, zurückgetreten.

epd: Auf den Tag des Reformationsfestes fällt Halloween. Der Kult aus den USA hat in Deutschland in den vergangenen Jahren immer stärker Fuß gefasst. Die Proteste aus dem evangelischen Raum haben kaum verfangen. Droht die evangelische Kirche, in die Rolle eines Spielverderbers zu geraten?

Huber: Es ist immer wichtiger, deutlich zu machen, wofür man ist, als wogegen man ist. Für uns als evangelische Kirche ist "Hallo Luther" wichtiger als Halloween. Nach meinem Eindruck verbraucht sich der Halloween-Kult. Ein Fest, das so unklar in seinem Inhalt ist und sich auf ein wenig Budenzauber beschränkt, kann sich nicht auf Dauer durchsetzen. Wir müssen mit der eigenen Gestaltung des Reformationstages, der in einigen Gegenden ja auch ökumenisch begangen wird, eine solche Sogkraft entfalten, dass Halloween dahinter zurücktritt.

epd: Ist das Halloween-Feiern für evangelische Kindergärten tabu?

Huber: In evangelischen Kindergärten wird natürlich der Reformationstag gestaltet. Am Schwarzen Brett eines evangelischen Kindergartens sollte nicht die Ankündigung finden zu finden sein: Am 31. Oktober ist Halloween. In einem evangelischen Kindergarten sollte jeder wissen, was am 31. Oktober los ist, nämlich Reformationstag.

epd: Am Wochenende beginnt in Bremen die jährliche Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland. Schwerpunktthema ist der Klimawandel. Welchen evangelischen Akzent hat dieses Thema?

Huber: Ich habe im vergangenen Jahr versucht, mit meinem Aufruf "Es ist nicht zu spät für eine Antwort auf den Klimawandel" den theologischen Zusammenhang deutlich zu machen: Einerseits hat der Mensch den Auftrag, die Erde zu bebauen und zu bewahren, also mit der Schöpfung verantwortlich und fürsorglich umzugehen. Andererseits muss klar sein, was es bedeutet, wenn wir der derzeitigen Entwicklung weiterhin freien Lauf lassen. Wenn man sich dem Thema aus christlicher Perspektive zuwendet, muss man die prophetische Ankündigung im Blick haben, dass der Riss, der bei einer Zerstörung unserer Ressourcen durch die Schöpfung geht, auch gefährliche Folgen für die Menschen haben wird.

epd: Was kann die Synode bewirken, ist dazu nicht schon alles gesagt?

Huber: Die Aufmerksamkeit für dieses Thema ist gewachsen, aber es ist noch längst nicht zu einem Thema unserer Alltagswirklichkeit geworden. Ich höre mit Besorgnis diejenigen Stimmen, die die Begrenzung der globalen Erwärmung für ein utopisches Ziel halten und meinen, man müsse sich den steigenden Temperaturen auf dem Globus einfach nur anpassen. Manche Menschen versprechen sich davon auch wirtschaftliche Vorteile. Daher ist eine ganz klare und prinzipielle Debatte notwendig.

epd: Worum soll es in dieser Debatte gehen?

Huber: Die Folgen einer globalen Erwärmung um mehr als zwei Grad Celsius werden die Länder der Dritten Welt wesentlich stärker belasten als die Industrieländer. Wir können nicht zulassen, dass der Klimawandel zur Verschärfung der Gegensätze zwischen Nord und Süd führt. Daher verbinden wir das Thema Klimaschutz ganz eng mit den Themen der nachhaltigen Entwicklung und der Gerechtigkeit. Bei der EKD-Synode wird dies exemplarisch am Beispiel Wasser geschehen. An diesem Schlüsselthema wird zu zeigen sein, was gerechte und nachhaltige Entwicklung bedeutet.

epd: Was kann eine Bemessungsgrundlage für Klimagerechtigkeit sein?

Huber: Die internationale Gemeinschaft hat sich auf das Ziel verständigt, den globalen Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius zu beschränken. Das erfordert große internationale Anstrengungen; nötig ist aber zugleich, dass jeder bei sich selber anfängt. Ein sparsamerer und effizienterer Energieeinsatz muss zur Leitlinie des persönlichen Lebens werden. Die Kirche ist in der besonderen Lage, dass sie in der Mitte der beiden Aufgaben steht: Sie kann als Akteurin politische und gesellschaftliche Korrekturen vollziehen, gleichzeitig kann sie als Ansprechpartnerin des einzelnen Menschen versuchen, persönliche Lebensstile zu verändern.

epd: Was bedeutet dies für die Kirche selbst?

Huber: Die Kirche braucht angesichts des Klimawandels zum Beispiel ein verantwortliches Gebäude-Management. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung. Es ist also aus theologischen Gründen eine hochrangige Aufgabe kirchlichen Handelns.

epd: Besteht die Gefahr, dass das Engagement für Klimaschutz in Konkurrenz zu anderen kirchlichen und diakonischen Kernaufgaben gerät?

Huber: Klimaverantwortung und Diakonie kann man ebenso wenig gegeneinander ausspielen wie Klimaverantwortung und Verkündigung. Eine umweltbewusste Ausrichtung kirchlicher Gebäude ist langfristig auch der wirtschaftlichere Weg. Er ist mit Investitionen verbunden, die langfristig auch der Gebäudesubstanz zugute kommen. Weitsichtige Kirchen und Kirchengemeinden nehmen dafür auch staatliche Förderprogramme in Anspruch.

epd: Wird die Ökologie angesichts der Wirtschaftskrise gegenüber der Ökonomie in den Hintergrund gedrängt?

Huber: Diese Gefahr besteht in der Tat, zumal in einer solchen Situation sehr leicht persönliche Sicherheit bei vielen Menschen den Vorrang vor gesellschaftlicher Solidarität bekommt. In Krisenzeiten versucht jeder, erst einmal das eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen. Als Kirche haben wir eine gegenläufige Aufgabe: Wir müssen darauf achten, dass die gegenwärtige Krise die Spaltung der Gesellschaft in Reiche und Arme nicht weiter vertieft. Die ökonomische Krise darf unsere Verantwortung für die Lebensbedingungen künftiger Generationen nicht außer Kraft setzen.

epd: Ist von der EKD-Synode eine Äußerung zur Wirtschafts- und Finanzkrise zu erwarten?

Huber: Sicher wird die Wirtschafts- und Finanzkrise auf der Synode eine wesentliche Rolle spielen. Die Synode wird klare Signale in die öffentliche Debatte hinein geben - in welcher Form, das bleibt der Synode überlassen.

30. Oktober 2008