Was die evangelische Kirche von ihrem künftigen Ratsvorsitzenden erwartet

Spielmacher und Torjäger in einer Person

Von Rainer Clos und Thomas Schiller (epd)

Bremen (epd). Wenn die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) in einem Jahr einen Nachfolger für ihren Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber finden muss, gibt es kein klar definiertes Stellenprofil. Alle, die in den vergangenen Jahrzehnten den höchsten Posten im deutschen Protestantismus innehatten, prägten die Amtszeit durch ihre Persönlichkeit. In der "Ahnengalerie" begegnet man autoritären Kirchenleitern wie Otto Dibelius (1949-1961), Brückenbauern wie Kurt Scharf (1961-1967), Universitätstheologen wie Eduard Lohse (1979-1985) und pastoralen Vermittlern wie Manfred Kock (1997-2003).

Kocks Nachfolger Huber vereint als Ratsvorsitzender wissenschaftliche Theologie mit beharrlichem Veränderungswillen und einer starken öffentlichen Präsenz. Von den Medien wird Huber als das Gesicht der evangelischen Kirche wahrgenommen. Außer ihm ist so häufig präsent in Presse, Funk und Fernsehen nur die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann.

Der stellvertretende Ratsvorsitzende, Bischof Christoph Kähler, ist außerhalb seiner Thüringer Landeskirche kaum in den Schlagzeilen, findet das aber in Ordnung: "Es ist gut, dass in der bundesweiten Medien-Öffentlichkeit ein bis zwei Personen für die evangelische Kirche stehen." Dies sei ein Gebot der Personalisierung in der Mediengesellschaft und nütze auch der Institution Kirche. Käßmann sei damit aber nicht zwingend die Huber-Nachfolgerin, wie in diesen Tagen einige Zeitungen andeuten.

Kähler mag sich nicht an Spekulationen beteiligen, die auch auf den Fluren der EKD-Synode in Bremen über die Frage "Wer kommt nach Huber?" angestellt worden sind. Als weitere Kandidaten werden in Medien auch die Bischöfe Jochen Bohl (Sachsen), Martin Hein (Kurhessen-Waldeck), Frank Otfried July (Württemberg) und Friedrich Weber (Braunschweig) genannt, ebenso Ulrich Fischer aus Baden. Ob solche Namensnennungen einen Einfluss auf die EKD-Synode haben, ist äußerst fraglich. Das Kirchenparlament war schon häufiger für Überraschungen gut. Im Herbst 2009 wird in Ulm gewählt.

Huber ist dann 67 Jahre alt, wenn seine Amtszeit als Ratsvorsitzender endet. Er tritt nicht mehr an. Fragen nach Abschiedsgefühlen hat Huber in Bremen abgewehrt: "Der Rat bleibt ja noch Jahr im Amt." Die Liste der abzuarbeitenden Punkte auf seiner Reformagenda ist lang. So sehr sich Stellvertreter Kähler zurückhält, eins ist für den Thüringer Bischof für die Zeit nach Huber klar: "Zum Reformprozess gibt es keine Alternative."

Im epd-Gespräch beschreibt Kähler Kriterien, die für die Wahl wichtig sind: theologisches Fundament, Vermittlung im Rat, Führung sind ebenso gefragt wie die Fähigkeit, für Zusammenhalt zu sorgen. Menschen und Argumente integrieren müsse der neue Mann oder die neue Frau an der EKD-Spitze. Wichtig ist aus Sicht von Kähler auch die Infrastruktur. Neben der Unterstützung aus der EKD-Zentrale in Hannover brauche ein Ratsvorsitzender in seiner Heimatkirche "ein Landeskirchenamt, das diesen Namen verdient" - also auf alle Fragen des Alltagsgeschäfts schnell und kompetent zuarbeiten kann, damit der Ratsvorsitzende für den öffentlichen Disput thematisch gerüstet ist. Der Thüringer Bischof greift zur Fußball-Methaper: "Er muss den Sololauf aufs Tor beherrschen und zugleich als Kapitän lange Bälle ins Team verteilen können."

05. November 2008

EKD-Synode 2008 in Bremen