Evangelische Kirche im Rheinland wird 60 Jahre alt

Düsseldorf (epd). Die Evangelische Kirche im Rheinland wird am Sonntag 60 Jahre alt. Am 9. November 1948 konstituierte sich in Velbert erstmals die "Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland". Damit wurde die vormalige rheinische Kirchenprovinz der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union selbstständig und wählte eine eigene Kirchenleitung. Erster Präses wurde der Essener Pfarrer Heinrich Held (1897-1957), ein prominenter Vertreter der Bekennenden Kirche.

Heute ist die Evangelische Kirche im Rheinland mit 2,9 Millionen Mitgliedern die zweitgrößte der 23 evangelischen Landeskirchen in Deutschland. Sie erstreckt sich zwischen Emmerich und Saarbrücken immer noch über das Gebiet der ehemaligen preußischen Kirchenprovinz Rheinland. Die 774 Kirchengemeinden in 40 Kirchenkreisen liegen in den vier Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen. An der Spitze der rheinischen Kirche steht seit 2003 Präses Nikolaus Schneider. Das Jubiläum soll während der Landessynode im Januar in Bad Neuenahr begangen werden.

06. November 2008

Evangelische Kirche im Rheinland


60 Jahre "rheinische Neigung zur Selbstständigkeit"

Am 9. November 1948 gründete sich die Evangelische Kirche im Rheinland

Düsseldorf (epd). Der 9. November ist nicht nur der Tag der Novemberrevolution 1918, der Reichspogromnacht 1938 und des Falls der Berliner Mauer 1989. Auf dieses geschichtsträchtige Datum fiel auch die Gründung der Evangelischen Kirche im Rheinland, heute die zweitgrößte evangelische Landeskirche in Deutschland. Am 9. November 1948 fassten die Abgeordneten der rheinischen Provinzialsynode in Velbert bei Düsseldorf als erstes den Beschluss, sich als "Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland" zu konstituieren.

Damit war die Loslösung von der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union und der Schritt von einer Kirchenprovinz zu einer selbstständigen Kirche vollzogen. Als erster Präses der rheinischen Kirche wurde der Essener Pfarrer Heinrich Held (1897-1957) gewählt. Held war prominenter Vertreter der Bekennenden Kirche, einer Bewegung innerhalb der evangelischen Kirche Deutschlands, die der nationalsozialistisch bestimmten Haltung der Deutschen Christen entgegentrat.

Eine "rheinische Neigung zur Selbstständigkeit" und Ablehnung des Zentralismus habe es schon seit der Weimarer Republik gegeben, stellt der Wuppertaler Historiker Volkmar Wittmütz fest. Angesichts des kirchlichen "Notstandes" nach dem Krieg ergab sich dann die Gelegenheit, solche Bestrebungen umzusetzen. Bei der Kirchenversammlung in Treysa im August 1945 erhielten die Kirchenprovinzen das Recht, sich selbst zu leiten.

Bereits im Mai 1945 hatte sich im Rheinland eine vorläufige Kirchenleitung konstituiert, die "in den letzten Kriegsmonaten hinter den Kulissen vorbereitet worden war", wie der Leiter des landeskirchlichen Archivs, Stefan Flesch, erläutert. Dabei seien bewusst die verschiedenen kirchenpolitischen Seiten mit einbezogen worden. Neben den "Galionsfiguren" der Bekennenden Kirche Heinrich Held, Joachim Beckmann und Johannes Schlingensiepen gehörten der vorläufigen Kirchenleitung unter anderem auch Generalsuperintendent Ernst Stoltenhoff und Konsistorialrat Helmut Rößler als Vertreter der Provinzialkirche an.

Die der nationalsozialistischen Ideologie verhafteten "Deutschen Christen" sowie vom NS-Reichskirchenministerium eingesetzte Kirchenbeamte blieben außen vor. "Es gab einen wirklichen Neuanfang", wertet der rheinische Präses Nikolaus Schneider dieses Vorgehen. Der Historiker Uwe Kaminsky spricht von einem Kompromiss, da die Bekennende Kirche keine Mehrheit in der Pfarrerschaft und in den Gemeinden hatte.

Die Entnazifizierung führte die Kirche überwiegend in Eigenregie durch. Amerikanische, englische und französische Besatzungsmacht räumten ihr das Recht zur "Selbstreinigung" ein, nur in wenigen Fällen griffen die Alliierten ein und suspendierten Pfarrer, wie Kaminsky berichtet. Die von der Kirchenleitung ernannten Spruchkammern hätten die Betroffenen allerdings eher nach ihrer Orientierung an Schrift und Bekenntnis beurteilt, als nach einer Mitgliedschaft in der NSDAP oder anderen NS-Organisationen. Nur wenige seien aus dem Dienst entfernt oder versetzt worden.

Die erste Landessynode der rheinischen Kirche, der unter anderem auch der Essener Oberbürgermeister (CDU) und spätere Bundespräsident Gustav Heinemann angehörte, verabschiedete 1948 in Velbert ein Kirchenleitungsgesetz. Dies wurde die Grundlage für die 1952 verabschiedete Kirchenordnung. Darin ist unter anderem das presbyterial-synodale Prinzip verankert, dessen Tradition aus dem 16. Jahrhundert stammt und das bis heute gilt. Es sieht eine demokratische Organisation von den Gemeinden über die Kirchenkreise bis zur Landeskirche vor. Auch die Beteiligung von Nicht-Theologen an Leitungsaufgaben und Selbstverwaltung gehören zu den wesentlichen Elementen.

Oberstes Leitungsorgan ist die Landessynode, die sich in den Anfangsjahren nach Velbert in Rengsdorf, Bad Kreuznach und dann mehrere Jahre lang in Bonn-Bad Godesberg traf. Seit 1975 versammelt sich das rheinische "Kirchenparlament" im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr. Auf der Tagesordnung standen in den letzten 60 Jahren neben Wahlen und Kirchengesetzen immer auch aktuelle zeitgeschichtliche oder politische Themen. Diskutiert wurde über Wiederbewaffnung und Atomrüstung, das Antirassismusprogramm, soziales Engagement in der Arbeitswelt, "politische Nachtgebete", Projekte für Arbeitslose, die Friedensfrage und Umweltprobleme oder die Segnung homosexueller Paare. Eine Vorreiterrolle spielte die rheinische Kirche bei der Neubestimmung des Verhältnisses von Christen und Juden.

Heute ist die Evangelische Kirche im Rheinland mit 2,9 Millionen Mitgliedern die zweitgrößte der 23 evangelischen Landeskirchen in Deutschland. Sie erstreckt sich zwischen Emmerich und Saarbrücken immer noch über das Gebiet der ehemaligen preußischen Kirchenprovinz Rheinland. Die 774 Kirchengemeinden in 40 Kirchenkreisen liegen in den vier Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen. An der Spitze der rheinischen Kirche steht seit 2003 Präses Nikolaus Schneider.

06. November 2008