Abschied von alten Kirchengrenzen

Die Fusion zwischen der Thüringer Kirche und der Kirchenprovinz Sachsen wird am 1. Januar 2009 in Erfurt besiegelt

Von Thomas Bickelhaupt und Karsten Wiedener

Magdeburg/Erfurt (epd). In der Erfurter Thomaskirche feiern die evangelischen Christen am 1. Januar 2009 nicht nur den Neujahrstag. Der Festgottesdienst besiegelt zugleich die Fusion der Thüringer Landeskirche mit der Kirchenprovinz Sachsen in Sachsen-Anhalt zur Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Damit finden die Fusionsverhandlungen nach gut zehn Jahren einen erfolgreichen Abschluss. Auf der protestantischen Landkarte entsteht in der Mitte Deutschlands ein nahezu geschlossenes Kirchengebiet. Künftig erinnert nur noch die weiterhin selbstständige Landeskirche Anhalts an alte Kirchengrenzen.

Mit der Fusion vereinigen sich erstmals zwei etwa gleich große Landeskirchen, die noch dazu von unterschiedlichen Bekenntnistraditionen geprägt sind. Mehrere Kreise der provinzsächsischen Kirche, darunter die Landeshauptstadt Erfurt, liegen aus historischen Gründen auf dem Gebiet des heutigen Freistaates Thüringen. Sie gehören ab 2009 zur neuen Kirche zwischen Südthüringen und der Altmark mit rund 910.000 Mitgliedern. Zu den ersten Aufgaben der Synode, die sich im Januar konstituiert, gehört die Wahl eines Bischofs für die mitteldeutsche Kirche. Bischofssitz ist Magdeburg.

Dagegen residiert das Kirchenamt künftig in Erfurt. Die räumliche Trennung von Bischofssitz und Kirchenverwaltung sei einer der Kompromisse gewesen, die für die Fusion unerlässlich waren, sagt der Thüringer Landesbischof Christoph Kähler. Auch bei anderen Sachfragen mussten beide Seiten anfängliche Vorbehalte überwinden und Hindernisse ausräumen. Die Debatten dazu seien von Anfang an "auf dem offenen Markt geführt" worden, bilanziert Kähler: "Das hat den Prozess nicht gerade einfacher gemacht." Gelegentlich habe er sich dafür eine bessere Streitkultur gewünscht.

Dass der Weg zur Kirchenfusion bisweilen schwierig war, bestätigt auch der Magdeburger Bischof Axel Noack. Die Vertreter der Kirchen hätten "manchmal wie Tarifpartner am Verhandlungstisch gesessen". Als besonders problematisch habe sich die Standortfrage für die Kirchenverwaltung und der Bischofssitz erwiesen. Das bisweilen zähe Ringen um Lösungen und Kompromisse sei jedoch nötig gewesen, betont Bischof Kähler: "Ohne die breiten Debatten hätten wir die erforderlichen Mehrheiten nicht bekommen."

Als ersten Schritt in Richtung Vereinigung hatten die Synoden beider Landeskirchen bereits 1998 eine Föderation beschlossen. Im Juli 2004 bildeten die Nachbarkirchen die "Föderation Evangelischer Kirchen in Mitteldeutschland" mit dem Ziel einer Fusion. Begründet wurde dieser Schritt mit Einsparungen und einer schlankeren Verwaltung. Mit strafferen Strukturen sollen die Kräfte gebündelt werden, um als Dienstleister für die Gemeinden effektiver arbeiten zu können.

Gleichwohl stand das gesamte Projekt im April 2007 vor dem Aus. Während damals das Thüringer Kirchenparlament den Fusionsvertrag knapp bestätigte, fehlten in der Synode der Kirchenprovinz zwei Stimmen. Ein Scheitern hätte das Ende der Reformchancen auf Jahrzehnte bedeutet - mit Folgen auch für andere kirchliche Fusionspläne. Nach der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit in einem zweiten Anlauf der Kirchenprovinz wurde im Februar 2008 der Fusionsvertrag unterzeichnet. Im Juli beschlossen die Synodalen die neue Kirchenverfassung.

Auf deren Grundlage soll der Zusammenschluss die kirchliche Arbeit in den Gemeinden stärken. Finanzdezernent Stefan Große ist überzeugt, dass die ab 2012 geplanten Einsparungen den finanziellen Aufwand für die Fusion überwiegen werden. Allerdings musste der Oberkirchenrat im November die beiden Kirchenparlamente zunächst über Mehrkosten informieren: Für das neue Kirchenamt im Collegium maius der Alten Universität Erfurt steigt der kirchliche Eigenanteil von vier Millionen Euro auf 4,7 Millionen Euro.

Die Mitglieder beider Kirchen haben den Fusionsprozess von Anfang an aufmerksam verfolgt und mit durchaus gemischten Gefühlen begleitet. Nach den notwendigen Debatten um Strukturen müsse nunmehr gezielt an einer "geistlichen Konsolidierung" gearbeitet werden, betont Bischof Kähler. Und sein Amtskollege Noack nennt als nächsten wichtigen Schritt für die mitteldeutsche Kirche, im Prozess des Zusammenwachsens "von der Parität in die Qualität" zu kommen.

15. Dezember 2008