Käßmann: Wirtschaftskrisen dürfen Demokratie nicht in Frage stellen

Loccum/Hannover (epd). Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann hat vor einer Schwächung der Demokratie durch die Wirtschaftskrise gewarnt. "Wir alle, die wir Verantwortung tragen in Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Kirche, sind mitverantwortlich, in unsicheren Zeiten glasklar für die Demokratie einzutreten", sagte Käßmann beim traditionellen "Epiphanias-Empfang" im 1163 gegründeten niedersächsischen Zisterzienser Kloster Loccum. Sie mahnte zur Wachsamkeit gegenüber "Krisengewinnlern". Vertreter extremer Positionen und Ideologien dürften nicht zu schnellen Verführern werden, die die Demokratie schwächten.

Mit Blick auf die Auswirkungen der Weltwirtschaftkrise Ende der 1920er Jahre betonte die Bischöfin der größten deutschen evangelischen Landeskirche: "Wirtschaftskrisen dürfen die Demokratie nicht in Frage stellen, und die Kirchen tun gut daran, die Demokratie zu stärken." Sie sei in letzter Zeit öfter gefragt worden, ob die Kirche eine Gewinnerin der Krise sei, sagte Käßmann weiter. "Das finde ich einen absurden Gedanken." Die Kirche wolle nicht mit Ängsten auf Menschenfang gehen. "Unsere Kirche will Menschen durch den Glauben für die Herausforderungen der Welt stärken und den Blick auf die wirklich entscheidenden Fragen lenken."

Die Bischöfin sagte, sie wolle weder die Krise noch die Ängste der Deutschen kleinreden. Dennoch sei ihr eine gewisse Zuversicht wichtig. Andere Nationen müssten Krisen ganz anderer Art bewältigen. Käßmann verwies auf den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern und an das Massaker im Kongo Ende Dezember, bei dem mehrere hundert Zivilisten getötet wurden.

Seit fast 60 Jahren lädt die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers Vertreter aus Politik, Wirtschaft und kulturellem Leben zu ihrem Empfang in das 846 Jahre alte Zisterzienserkloster Loccum ein. Der ehemalige Abt zu Loccum und Landesbischof Hanns Lilje hatte 1950 nach seiner Wahl zum Abt erstmals am 28. Dezember zum "Empfang zwischen den Jahren" gebeten. Lilje zu Ehren, der am 6. Januar 1977 starb, wurde die Feier auf den Epiphaniastag verlegt. Sie ist seitdem der erste offizielle Termin des neuen Jahres in Niedersachsen.

07. Januar 2009


Wulff fordert "Ethik des Maßes" für die Wirtschaft

Epiphanias-Empfang der hannoverschen Landeskirche mit 140 Gästen aus Politik und Gesellschaft

Loccum (epd). Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) hat eine Rückbesinnung auf die ethischen Grundsätze des Wirtschaftens gefordert. "Wir müssen dem ungezügelten Streben nach Wachstum und Gewinn eine Ethik des Maßes entgegensetzen", sagte Wulff am Dienstag beim traditionellen "Epiphanias-Empfang" der hannoverschen Landeskirche im 1163 gegründeten Zisterzienser Kloster Loccum. Der Kontrast zwischen den Exzessen an den Finanzmärkten und der Entwicklung der Reallöhne werde immer deutlicher.

Über angemessene Managervergütungen sei schon vor Jahren diskutiert worden, sagte Wulff vor rund 140 Gästen aus Politik und Gesellschaft. Auch wenn einige diese Debatte als "Neiddebatte" denunziert hätten, bleibe festzustellen: "Fressender, aber letztlich ohnmächtiger Neid ist längst nicht so verheerend wie zügellose Gier." Niemand könne ein gutes Gefühl dabei haben, wenn in Windeseile Milliarden für Rettungspakete für Unternehmen zur Verfügung gestellt würden, während es gleichzeitig schwerfalle, "ein paar hunderttausend Euro für die Hungerhilfe bereitzustellen oder einen ambulanten Pflegedienst aufrechtzuerhalten".

07. Januar 2009