Bischof Huber kritisiert Abschiebepraxis

Berlin (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, hat die Trennung von Familien durch die deutsche Abschiebepraxis kritisiert. Es gehe nicht an, dass Familien mit einem Lebensmittelpunkt in Deutschland durch Abschiebung auseinandergerissen werden, sagte der Berliner Bischof am Samstag im RBB-Stadtradio "88ACHT" in Berlin.

Auch bereits vollzogene Abschiebungsentscheidungen, die zur Familientrennung geführt hätten, müssten zurückgenommen werden, sagte Huber. Diesen Abgeschobenen müsse die Wiedereinreise ermöglicht werden. Es sei ein "Gebot der Humanität", Familientrennungen zu verhindern. "Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz unserer Verfassung." Dies gelte ohne Einschränkung.

10. Januar 2008


Der Beitrag in vollem Wortlaut:

BISCHOF DR. WOLFGANG HUBER

BISCHOFSWORT FÜR DEN 10. JANUAR 2009 / RBB 88ACHT

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer!

Der junge Mann aus Ghana, nennen wir ihn Ashon, kam mit einem Touristenvisum nach Deutschland. In Dänemark heiratete er ganz legal eine in Deutschland lebende Frau, die hier ein unbefristetes Aufenthaltsrecht hat. Sie stammt ebenfalls aus Ghana und leidet unter schweren gesundheitlichen Problemen. Er wollte sie pflegen und für sie sorgen.

Ein Aufenthalt wurde ihm von den deutschen Behörden verweigert, weil er mit einem Touristenvisum eingereist sei. Obwohl er für den gemeinsamen Lebensunterhalt hätte sorgen können, wurde er nach langen Auseinandersetzungen abgeschoben. Vor einer erneuten Einreise müsste er die gesamten Kosten für Abschiebehaft und Abschiebung in Höhe von 30.000 Euro erstatten. Das bedeutet, dass er auf unabsehbare Zeit nicht nach Deutschland zurückkehren kann. Die Ehe ist zerbrochen. Um eine Scheinehe handelte es sich nach allem, was wir wissen, nicht.

Seelsorgerinnen und Seelsorger, die in der Abschiebehaft in Berlin-Köpenick arbeiten, berichten immer wieder von der Begegnung mit Menschen, die durch die erzwungene Ausreise von ihren Familien getrennt werden: Männer und Frauen werden getrennt von ihren Partnern oder von ihren Kindern, nicht selten auch vor der Geburt eines Kindes.

In diesem einen Abschiebungsgewahrsam leben gegenwärtig etwa 100 Menschen auf gepackten Koffern. Die Abschiebehaft kann der Endpunkt eines langjährigen Aufenthalts in Deutschland, nach einer Flucht aus dem Heimatland, sein. Der Abschiebegewahrsam kann auch der erste Ort sein, den ein Flüchtling oder ein Migrant nach seiner Ankunft in Berlin kennen lernt. Mitunter ist es fraglich, ob er oder sie überhaupt etwas anderes von Deutschland sehen wird als dieses Gefängnis.

In vielen Fällen führt die Abschiebehaft zur Zerstörung von familiären Beziehungen. Von der Inhaftierung und Abschiebung sind nie nur die Insassen im Gewahrsam selbst betroffen, sondern immer auch ihre Angehörigen und Freunde. Dies zeigt auch eine Ausstellung, die in diesen Tagen im Evangelischen Zentrum in Berlin-Friedrichshain zu sehen ist.  Sie bringt uns nahe, was viel wichtiger ist als abstrakte Zahlen: nämlich individuelle menschliche Schicksale.

Die Evangelische Kirche reagiert auf die Situation der Betroffenen immer wieder mit einer eindeutigen Forderung. Es geht nicht an, dass Familien mit einem Lebensmittelpunkt in Deutschland durch Abschiebung auseinander gerissen werden. Auch bereits vollzogene Abschiebungsentscheidungen, die zur Familientrennung geführt haben, müssen zurückgenommen werden. Und schließlich muss der Gruppe dieser Abgeschobenen die Wiedereinreise ermöglicht werden. Ehe unde Familie stehen unter dem besonderen Schutz unserer Verfassung. Das gilt ohne Einschränkung. Es ist ein Gebot der Humanität, solche Schicksale wie das des jungen Ashan und seiner Familie zu verhindern.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag. Bleiben Sie behütet!