In Namibia erproben Kirchen die Armutsbekämpfung durch die Auszahlung eines Grundeinkommens

Bares auf die Hand

Von Marc Engelhardt (epd)

Windhuk (epd). Die Krankenstation des Dorfes Otjivero in Namibia liegt in der Sonne. Sana Gaueroman wartet darauf, dass ihre zweijährige Tochter Paloma zur Polio-Impfung aufgerufen wird. "Eigentlich hätte sie die Impfung schon kurz nach der Geburt bekommen sollen, aber das konnte ich mir nicht leisten", gesteht die arbeitslose Mutter von drei Kindern. Vier namibische Dollar kostet die Impfung, umgerechnet sind das 32 Euro-Cent. Aber das hatte Gaueroman nie übrig. Doch vor einem Jahr wurde alles anders.

Seitdem hat jeder Geld in der 1.200-Seelen-Gemeinde Otjivero, die rund 100 Kilometer östlich der Hauptstadt Windhuk liegt. Allen Einwohnern werden monatlich je 100 Namibia-Dollar (acht Euro) ausgezahlt. Reich wird man damit nicht, aber es reicht zum Leben und für ein bisschen mehr. Tun muss man dafür nichts. Es gibt keine Bedingungen und kein Kleingedrucktes: Wer in Otjivero lebt, bekommt das Geld. Nur die über 60-Jährigen bleiben außen vor. Sie erhalten bereits eine staatliche Grundrente.

Kaum jemand im Dorf wollte dem lutherischen Bischof Zephania Kameeta glauben, als er eines Tages anreiste und den Geldsegen versprach. "Richtig ernst genommen haben die mich erst, als einen Monat später die Zählung der Bürger begann", sagt Kameeta. "Die begann unter strenger Geheimhaltung", erinnert sich der deutsche Theologe und Entwicklungsexperte Dirk Haarmann. Gemeinsam mit seiner Frau Claudia begleitet er das Projekt zum Grundeinkommen im Auftrag der Evangelisch-Lutherischen Kirche Namibias.

Die Geheimhaltung sollte verhindern, dass Verwandte und Bekannte in Otjivero einziehen, um von dem weltweit einzigartigen Modellprojekt zu profitieren. Am Stichtag wurden schließlich 930 Dorfbewohner unter 60 Jahre registriert, die nun das Geld erhalten.

"Das Grundeinkommen befreit die Menschen vom täglichen Existenzkampf", sagt Haarmann. "Nur wer nicht hungert, wird wirtschaftlich aktiv und kann sich selbst aus der Armut befreien." Damit stützt er den Bericht einer staatlichen Kommission, die der namibischen Regierung schon vor sechs Jahren die Einführung des Grundeinkommens zur Lösung der sozialen Schieflage im Land empfohlen hat. Weil die Regierung nichts tat, beschloss ein Bündnis aus Kirchen, Gewerkschaften und Verbänden einen Feldversuch bis Ende 2009.

John Thompson, der in der Morgensonne seine einjährige Tochter Hildegard auf dem Arm hält, machte das Grundeinkommen vom Arbeitslosen zum Transport-Unternehmer. "Ich kann jetzt einen alten Pick-up abbezahlen", sagt er. "Wenn Leute in die Stadt wollen, ins 50 Kilometer entfernte Gobabis, dann lade ich sie auf die Ladefläche und fahre sie dorthin." Zehn Namibia-Dollar verlangt er für die Hin- und Rückfahrt, wenn er seine Kosten abrechnet, bleibt genug zum Leben und für das Schulgeld für seine drei größeren Kinder. "Mir geht es besser als früher", sagt der 43-Jährige.

In einem Zwischenbericht, den Bischof Kameeta kürzlich der namibischen Regierung vorlegte, ziehen die Initiatoren und Beobachter des Grundeinkommens-Projekts eine fast enthusiastische Bilanz der ersten sechs Monate. Der Anteil mangelernährter Kinder fiel demnach von 42 auf 17 Prozent. Die Zahl der Eltern, die Schulgeld bezahlen, verdoppelte sich. Das für die Nachhaltigkeit des Projekts vielleicht wichtigste Ergebnis lautet: Den Menschen ist es mit ihrer Arbeit gelungen, das ausgezahlte Geld zu mehren. Mit solchen Zahlen hofft Kameeta die Regierung von einer Ausweitung des Projekts überzeugen zu können.

Finanziell, so hat Haarmann ausgerechnet, wäre die flächendeckende Einführung des Grundeinkommens kein Problem. Namibia, das ehemalige Deutsch-Südwestafrika, hat heute etwa zwei Millionen Einwohner. Mit mehr als 2.400 Euro pro Jahr ist das Pro-Kopf-Einkommen eines der höchsten in Afrika. Doch auch die Kluft zwischen Arm und Reich ist so groß wie kaum irgendwo sonst auf dem Kontinent: Zwei Drittel der Namibier leben unterhalb der Armutsgrenze, ein Drittel der Kinder unter fünf Jahren ist mangelernährt.

Maximal vier Prozent des Bruttonationaleinkommens wären nötig, um die Lage grundlegend zu ändern, glaubt Haarmann. Finanziert werden soll das Grundeinkommen über Steuern, die die Reichen stärker belasten, und über Einsparungen: Weil jeder das gleiche bekommt, sind keine Überprüfungen nötig, kein bürokratischer Überbau. Das macht das Grundeinkommen auch für den Staat attraktiv.

13. Januar 2009