Bischof Huber mahnt zum Frieden im Nahen Osten

Frankfurt a. M. (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, sieht zur Zwei-Staaten-Lösung im Nahen Osten keine Alternative. "Israel und Palästina brauchen die Gewissheit, dass sie als zwei Staaten friedlich zusammen leben können", schreibt Huber in einem Beitrag für das evangelische Monatsmagazin "chrismon" (Märzausgabe). Alle Beteiligten müssten einsehen, dass "militärische Aktionen allein keine friedliche Zukunft eröffnen".

Nach Ansicht des Berliner Bischofs brauchen Palästinenser und Israelis verantwortliche Führer, die Mut zum Frieden aufbringen. "Und sie benötigen die Hilfe internationaler Partner", schreibt Huber. Zum gegenseitigen Verständnis seien Dolmetscher und Interpreten aus Politik, Wirtschaft, Kirche und Kultur vonnöten.

07. März 2009


Der Text im Wortlaut:

Auf ein Wort

Naher Osten

Bischof Wolfgang Huber.

Palästinenser und Israelis brauchen Führer mit dem Mut zum Frieden. Und viele Dolmetscher der Versöhnung

Für einige Stunden legte sich die Musik des West-Eastern Divan Or­ches­tra über die Detonationsgeräusche der Bomben und Raketen, die im inneren Ohr noch nachhallten. In der Berliner Staats­oper spielte das Orchester des Dirigenten Daniel Barenboim Beethovens Leonoren-Ouvertüre und seine 5. Sinfonie. Seite an Seite ließen junge Palästinenser und Israelis, Syrer und Ägypter, Libanesen und Tunesier die Sprache der Gewalt und der Waffen leiser werden. Gemeinsam schufen sie einen Klangraum, einen Ort voller Harmonien, ein "Labor der Verständigung", wie es den Gründern des Orchesters, Daniel Barenboim und Edward Said, vorschwebte.

Eigentlich plante das Orchester, im Jubiläumsjahr seines zehnjährigen Bestehens in Katar und in Kairo zu spielen. Doch der Krieg im Gazastreifen durchkreuzte diese Pläne. Trotzdem kamen die Musikerinnen und Musiker zusammen. Sie gaben Konzerte in Berlin. Das zog die Menschen in den Bann - wegen der Musik und wegen der Sehnsucht nach Frieden im Nahen Osten.

Menschen finden in der Musik zusammen und widersprechen dadurch dem Geist von Hass und Zwietracht. Der Violinist Nabil Abbud Aschkar, ein in Israel geborener Palästinenser, sagt unumwunden, worum es geht: "Es ist klar, dass wir nicht tatenlos zusehen können, wie palästinensische Kinder getötet werden, aber auch nicht, wie Raketen auf Sderot fallen. Ich könnte mich den ganzen Tag mit mir selber streiten."

Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern reißt die Menschen innerlich entzwei. Das Land, in welchem Jesus von Nazareth wanderte und das Evangelium der Freiheit predigte, ist zerrissen durch Sperranlagen, Hass und Perspektivlosigkeit.

Die Gewalt trifft die Zivilbevölkerung ganz besonders. Sie wird als Geisel genommen, wenn die Hamas sich in Wohngebieten und Moscheen verschanzt. Israel erklärt, Rücksicht zu üben, und nimmt doch den Tod von Kindern und Eltern in Kauf. Jeder Waffengang lässt befürchten, dass eine weitere Radikalisierung der Palästinenser bevorsteht. Und wie wird es in Israel nach den nächsten Wahlen aussehen?

Alle Beteiligten müssen einsehen, dass militärische Aktionen allein keine friedliche Zukunft eröffnen. Denn der abgrundtiefe Hass wird dadurch nicht gebrochen. Israel und Palästina brauchen die Gewissheit, dass sie als zwei Staaten friedlich zusammen leben können. Die Palästinenser haben eine Regierung verdient, die ihre Interessen mit Weisheit vertritt. Die Waffenlieferungen des Iran in den Gazastreifen müssen unterbunden werden. Vor allem anderen muss die Hamas das Existenzrecht Israels anerkennen.

Palästinenser und Israelis brauchen verantwortliche Führer, die Mut zum Frieden aufbringen. Und sie benötigen die Hilfe internationaler Partner. Nur gemeinsam lässt sich der Weg zu Versöhnung und Frieden gehen. Gott hat kein Gefallen am Tod der Menschen - weder von Israelis noch von Palästinensern. Zum gegenseiti­gen Ver­ständnis brauchen beide Seiten Dolmetscher und Interpreten aus Politik, Kirche, Wirtschaft und Kultur. Sie alle können einen kleinen, aber sehr wichtigen Beitrag zu Versöhnung und Verständigung leisten.

"Unser Vorhaben verändert vielleicht nicht die Welt, aber es ist ein Schritt vorwärts", sagt Daniel Barenboim. Aber auch das Umgekehrte gilt: Jeder Schritt, der den Friedenswillen zum Klingen bringt, verändert die Welt. Würden doch mehr Menschen auf die Musik des West-Eastern ­Divan Orchestra hören!

Quelle: Evangelisches Monatsmagazin „chrismon“ (Ausgabe 03/2009)