Wolfgang Huber würdigt gestorbenen Altbischof Schönherr

Berlin (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, hat den Berliner Altbischof Albrecht Schönherr als einen eindrucksvollen Zeugen Jesu Christi gewürdigt. Schönherr, der am Montag im Alter von 97 Jahren in Potsdam starb, habe die Eigenständigkeit des kirchlichen Zeugnisses in der Zeit der DDR nicht nur mit Deutlichkeit vertreten, "sondern auch in seinen kirchlichen Leitungsämtern dem Staat gegenüber abgesichert", erklärte Huber am Montag in Berlin.

Durch seine Treue zum Evangelium habe Schönherr auf seine Weise dazu beigetragen, "dass die Wiedervereinigung in Freiheit friedlich gelungen ist". Durch seine theologische Existenz und die unterschiedlichen Wegstationen habe er bezeugt, dass Christen froh und mutig auf Gott vertrauen können.

Von 1967 bis zu seinem Ruhestand 1981 stand Schönherr an der Spitze der Ostregion der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg. Von 1969 an war er zudem zwölf Jahre lang Vorsitzender der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR und damit oberster Repräsentant des DDR-Kirchenbundes.

Ende der 60er Jahre hatte Schönherr wesentlichen Anteil am organisatorischen Zusammenschluss der acht evangelischen Landeskirchen in der DDR zu einem Kirchenbund. Damit verbunden war die Trennung von der bis dahin gesamtdeutschen Evangelischen Kirche in Deutschland.

Höhepunkt seines kirchenpolitischen Wirkens, das er selbst als Weg zwischen Anpassung und Verweigerung beschrieb, war das Gespräch mit DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker am 6. März 1978. Es brachte den ostdeutschen Kirchen zwar eine spürbare Ausweitung ihrer Arbeitsmöglichkeiten, aber nicht das erhoffte Ende der Benachteiligung junger Christen in der SED-gelenkten Volksbildung.

10. März 2009


Wegbereiter einer eigenständigen "Kirche im Sozialismus"

Bischof Albrecht Schönherr hat den DDR-Kirchenbund geprägt

Von Hans-Jürgen Röder (epd)

Berlin (epd). Weit über drei Jahrzehnte hat er kirchenleitende Verantwortung getragen: als Superintendent in Brandenburg an der Havel, als Eberswalder Generalsuperintendent und schließlich als Bischof der Ostregion seiner Berlin-brandenburgischen Kirche. Als erster Vorsitzender hat er zudem zwölf Jahre den Weg des evangelischen Kirchenbundes in der DDR wie kein anderer bestimmt. Am Montag ist Albrecht Schönherr im Alter von 97 Jahren in Potsdam gestorben.

Geprägt hat ihn vor allem die Begegnung mit dem Theologen Dietrich Bonhoeffer, der sich nicht nur mit aller Konsequenz der Nazi-Herrschaft entgegenstellte, sondern in der ihm eigenen Radikalität auch für glaubwürdiges Reden und Handeln der Kirche eintrat. Für Schönherr hieß das, sich auf die jeweilige Situation einzulassen und sie als Ort der christlichen Bewährung anzunehmen.

Dieses Ziel war es auch, das Schönherr Ende der 60er Jahre zum Fürsprecher eines eigenständigen Weges der acht ostdeutschen Landeskirchen werden ließ. Der Preis dafür war zwar eine Trennung von der bis dahin gesamtdeutschen Evangelischen Kirche in Deutschland. Der Weg eröffnete jedoch für die Christen und ihre Gemeinden in der DDR neue Arbeitsmöglichkeiten. Höhepunkt und Bestätigung dieses Weges war zweifellos das Gespräch mit Staats- und Parteichef Erich Honecker am 6. März 1978. Denn es brachte nicht nur eine Reihe Zugeständnisse für die Arbeit der Kirchen, sondern signalisierte auch mit der herausgehobenen Berichterstattung in den DDR-Medien, dass Kirche und Christentum Teil der Gesellschaft waren und entsprechende Achtung verdienten.

Schönherr er in seinem langen Leben alle politischen Höhen und Tiefen des 20. Jahrhunderts hautnah erlebt: die beiden Weltkriege, die Weimarer Republik, die 13 Jahre der NS-Herrschaft und daran anschließend die hoffnungsvolle Nachkriegszeit bis zur deutschen Teilung durch die Staatsgründungen 1949. Es folgte die 40-jährige SED-Herrschaft mit Kirchenkampf, Mauerbau und Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in Prag bis zur friedlichen Revolution 1989.

Vor allem das jähe Ende des "Prager Frühlings" hat Schönherr Zeit seines Lebens nicht mehr vergessen. Damals war er mit seiner Familie auf Urlaub in der Hohen Tatra. Mitten in die unbeschwerten Tage platzte die Nachricht von den vorrückenden sowjetischen Panzern. Wie viele andere in der DDR hatte auch er große Hoffnungen auf die Entwicklung im Nachbarland gesetzt - und zur Kenntnis nehmen müssen, dass der Kampf um Macht und Einfluss wieder einmal über Recht und Menschlichkeit rigoros hinweggegangen war.

Für Schönherr, der damals Generalsuperintendent in Eberswalde war, war diese Erfahrung doppelt schmerzlich. Denn seit Jahren hatte er in der eigenen Kirche dafür geworben, sich aus der lähmenden Alternative zwischen Anpassung und Verweigerung zu lösen, um einen eigenständigen Weg in der atheistisch geprägten DDR-Gesellschaft zu gehen. Da wirkte das militärische Vorgehen der Warschauer-Pakt-Staaten gegen die Verfechter eines "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" für Appelle zur gesellschaftlichen Mitarbeit nur abschreckend.

Entsprechend deutlich waren die Vorbehalte, denen Schönherr mit seinem kirchenpolitischen Kurs Ende der 60er Jahre begegnete. Die Kurzformel "Kirche im Sozialismus" stieß vor allem bei kirchlichen Mitarbeitern auf Ablehnung. Viele verstanden die Formel als Anpassung an die politisch Mächtigen. Doch angepasst ist Schönherr nie gewesen - weder in den Vorkriegsjahren als Pfarrer der Bekennenden Kirche im uckermärkischen Brüssow, noch nach Kriegsende als Superintendent in Brandenburg oder in den 50er Jahren als Direktor des dortigen Predigerseminars. Und auch als Generalsuperintendent in Eberswalde sowie als Bischof in Ost-Berlin ist er stets seinen eigenen Weg gegangen.

Dazu gehörte für ihn allerdings auch, Berührungsängste zu Staat und Gesellschaft abzubauen und den Herrschenden so glaubwürdig und offen wie möglich zu begegnen. Als Christ und Kirchenmann wollte er in der Gesellschaft verantwortlich mitarbeiten und nicht hinter sicheren Kirchenmauern darauf warten, bis sich die DDR selbst erledigt hat.

10. März 2009