EKD-Kulturgespräch: Experten für erweiterten Begriff von Kultur

Berlin (epd). In der Debatte um kulturelle Teilhabe für die ganze Gesellschaft haben Experten für einen erweiterten Kulturbegriff plädiert. "Wir gehen von einer sehr engen Vorstellung aus, was Kultur ist", sagte der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann, am Dienstagabend bei einer von der Kulturbeauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Petra Bahr, veranstalteten Gesprächsrunde in Berlin. Die Kulturförderung für neue Bereiche werde vernachlässigt, ergänzte Zimmermann: "Alle Entwicklungen der Jugendkultur überlassen wir dem Markt."

Birgit Mandel vom Institut für Kulturpolitik an der Universität Hildesheim sagte, der Großteil öffentlicher Fördergelder gehe in traditionelle Kultureinrichtungen wie Theater, Museen und Konzerthäuser. Dies sei eine Orientierung an "einer sehr kleinen Klientel, die immer kleiner wird." Nur acht Prozent der Bevölkerung nehme öffentlich finanzierte Kulturangebote regelmäßig wahr. Die Hälfte nutze diese überhaupt nicht. Mandel plädierte dafür, den Kulturbegriff hin zu Soziokultur und populärer Kultur zu erweitern und entsprechend zu fördern: "Das kann dann auch heißen, eine Oper weniger und stattdessen zehn Stadtteilkulturzentren mehr."

Die Obfrau der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Kultur und Medien, Monika Grütters (CDU), warnte hingegen davor, etablierte Kultur und Soziokultur in Konkurrenz zueinander zu stellen. Das erzeuge nur Unwillen und trage nicht dazu bei, dass Bürger mehr an Kultur teilhätten. Aus Grütters' Sicht gab es in den vergangenen Jahren verschiedene gelungene Beispiele, um auch ärmere und ausgegrenzte Gesellschaftsschichten an Kultur teilhaben zu lassen: Etwa die Berliner Drei-Euro-Tickets, mit denen Hartz-IV-Empfänger und Asylbewerber in bestimmten Bühnen und Konzerthäusern Karten für drei Euro erstehen können.

Der SPD-Kulturexperte Steffen Reiche sagte, selbst die Ärmsten könnten heute mehr Kultur erleben als in früheren Generationen. Zugleich werde der Graben zwischen jenen mit und jenen ohne kultureller Bildung aber immer größer. Reiche plädierte für den schnellen Ausbau von Ganztagsschulen, um möglichst viele junge Leute jeder Herkunft zu erreichen. Außerdem brauche es nationale Bildungsstandards auch im Bereich der kulturellen und religiösen Bildung.

Die EKD-Kulturbeauftragte Bahr erklärte, die Teilhabe an Kultur scheitere nicht allein an finanziellen Hürden, sondern an den "unsichtbaren Schwellen" hoher Voraussetzungen in der Bildung. Es gelte nun, Kulturereignisse so "verführerisch" zu präsentieren, dass Leute tatsächlich teilhaben wollten.

18. März 2009