Kirche wird zum "Paradies"

Hannover (epd). Als Beitrag zum Projekt "Gartenregion" in Hannover und Umgebung bauen Künstler und Landschaftsarchitekten eine evangelische Kirche zum Paradiesgarten um. Dafür wurde die neugotische Christuskirche am Rand der Innenstadt innen üppig mit Palmen, Bananenstauden und Sträuchern bepflanzt. "Das Paradies ist etwas, das alle Religionen haben, eine Urgeschichte der Menschheit", sagte die evangelische Landessuperintendentin Ingrid Spieckermann am Freitag. Das Projekt "Garten.Eden.Kirche" wird mit einem Gottesdienst am Ostersonntag (12. April) eröffnet und läuft bis 4. Oktober.

Den Kern des Projektes bildet ein Kokon aus halbdurchsichtigem Gaze-Gewebe als "Raum der Wandlung". Er bietet Platz für rund 200 Menschen und wurde in der Mitte des leer geräumten Kirchenschiffes zwischen Backsteinsäulen aufgespannt. Dort sollen die Besucher von der Hektik des Alltags abschalten, zur Ruhe kommen und zu sich selbst finden. Ein Olivenbaum und ein Brunnen als "Quelle des Lebens" geben Anstöße zur Meditation. "Die Menschen können hier Kraft schöpfen und dann wieder hinaus in die Welt gehen, um dort etwas zu bewegen", sagte Spieckermann.

Die Gaze-Hülle wird mit Lichtspielen beleuchtet, die Blumenelemente zeigen. Aus vier Brunnen soll Nebel aufsteigen, in den Gesichter projiziert werden. Die Kosten des Projektes von 200.000 Euro werden zur Hälfte von der Region Hannover übernommen, den Rest tragen zum größten Teil Sponsoren. Anlässlich der Expo 2000 war in Hannover bereits die evangelische Apostelkirche als "Garten Eden" gestaltet worden.

Die Region Hannover plant zum Gartenjahr 2009 insgesamt 700 Veranstaltungen in 21 Städten und Gemeinden. Die evangelische Kirche beteiligt sich daran mit insgesamt 70 Einzelprojekten. Die Christuskirche am Rand der Innenstadt wurde von 1859 bis 1864 vom hannoverschen Architekten Conrad Wilhelm Hase (1818-1902) als Residenzkirche König Georgs V. im neugotischen Backstein-Stil errichtet. Sie feiert in diesem Jahr ihr 150. Gründungsjubiläum.

03. April 2009

Weitere Informationen auf den Seiten des Sprengel Hannover

Projekt Gartenregion


Palmenwipfel zwischen Backsteinsäulen

Künstler bauen in hannoverscher Kirche einen "Garten Eden" auf

Von Michael Grau (epd)

Hannover (epd). Mit Parks und Grünanlagen kennt er sich aus, aber ans Paradies hat sich Ingo Schmidt noch nie gewagt. Schon gar nicht, wenn es zwischen den hohen Backsteinsäulen einer neugotischen Kirche liegt. "Das ist das Speziellste, was ich jemals gemacht habe", erzählt der 46-jährige Landschaftsarchitekt. Gemeinsam mit Kollegen und Künstlern baut er in der hannoverschen Christuskirche derzeit einen "Garten Eden" auf.

In den Seiten und Ecken des altehrwürdigen Gemäuers aus dem Jahr 1864 hat er Beete angelegt und Dutzende von Palmen, Sträuchern, Apfelsinenbäumen und Bananenstauden in riesigen Pflanztöpfen hineingesetzt, die das Kirchenschiff in eine Art Dschungel verwandeln. Am Ostersonntag soll das begehbare Kunstwerk in der abgedunkelten Kirche am Rand der Innenstadt eröffnet werden.

Die Garten-Eden-Kirche, die vom 12. April bis zum 4. Oktober ihre Pforten öffnet, ist das zentrale Projekt der evangelischen Kirche zum Projekt "Gartenregion" in Hannover und Umgebung. Damit will sich die Region mit ihren weltbekannten Herrenhäuser Gärten, Europas größtem Stadtwald Eilenriede und ihrem modernen Erlebnis-Zoo als Region der Gärten präsentieren. Und die Kirche zieht mit: "Das Paradies ist etwas, das alle Religionen haben, eine Urgeschichte der Menschheit", sagt Landessuperintendentin Ingrid Spieckermann. Es erinnere die Menschen an die Sehnsucht nach der Einheit mit der Schöpfung und nach einer Welt ohne Krieg und Gewalt.

Eine heile Welt will die Kirche jedoch nicht vorgaukeln. Deshalb ist mitten im leer geräumten Kirchenschiff ein riesiger Kokon aus halbdurchsichtigem Gaze-Gewebe mit Platz für 200 Menschen aufgespannt. Ingo Schmidt und seine Künstler-Kollegen Anne Nissen (42) und Steffen König (42) nennen ihn "Raum der Wandlung". Dort sollen die Besucher zur Ruhe kommen und zu sich selbst finden. Durch das Gewebe hindurch sehen sie die Palmen und das Kreuzrippengewölbe schimmern und sind doch getrennt von ihnen. Ein Brunnen als "Quelle des Lebens" und ein knorriger Olivenbaum geben Anstöße zur Meditation. "Die Menschen können hier Kraft schöpfen und dann wieder hinaus in die Welt gehen, um dort etwas zu bewegen", sagt Spieckermann.

Von innen sieht der Kokon zunächst so aus wie ein großes Iglu-Zelt, doch Steffen König weist diesen Eindruck zurück: "Wir haben uns das von den Schmetterlingen abgeschaut." Wie in einem echten Kokon solle sich darin etwas entwickeln. 1.000 Quadratmeter Gaze mit einem Gewicht von 70 Kilogramm haben die Künstler dafür zusammengenäht. Für das Gerippe haben sie 700 Meter Aluminium-Stangen nach einem ausgeklügelten System zusammengesteckt. Und das alles in wochenlanger eigener Handarbeit: "Das ist ein zentrales Werk, da können wir niemand anderes ran lassen", sagt König.

Allein das Aufbringen der Gaze war eine logistische Meisterleistung: Das Gewebe wurde vorher in einer Turnhalle ausgelegt und nach einem genauen Plan gefaltet. "Der Weg zum Paradies ist hart", sagt Ingo Schmidt. Und weil das Paradies in Deutschland liegt, musste dafür zuvor ein Bauantrag gestellt werden. Techniker hängen Gewichte an die Stangen und prüfen so, ob der Kokon belastbar ist. Ohne Technik kommen auch die Paradies-Künstler nicht aus: Durch Video-Beamer in 15 Metern Höhe projizieren sie Lichtspiele mit Blumenelementen auf die Gaze-Hülle. Und aus Brunnen zwischen den Palmen und Sträuchern soll Nebel aufsteigen, in dem sich Gesichter abzeichnen.

Zur Weltausstellung Expo 2000 wurde in Hannover schon einmal eine Kirche bepflanzt. "Das war ein Magnet ersten Ranges", erinnert sich Spieckermann. Im Unterschied zu damals beteiligen sich heute Künstler an dem Projekt, die bei einem Wettbewerb ausgewählt wurden. Rund 200.000 Euro lässt sich die Kirche das kosten, doch die Region Hannover und Sponsoren übernehmen den größten Teil davon. Spieckermann und die Künstler hoffen, dass die Menschen in der Kirche auf Entdeckungsreise gehen. Nur aus einer Ecke heraus lasse sich der Raum nicht erfassen, sagt Ingo Schmidt. Und ob es im Paradies Stühle gebe, sei ohnehin fraglich: "Die Menschen sollen sich bewegen."

03. April 2009