Bereits 90.000 Anmeldungen zum Bremer Kirchentag

Fulda/Bremen (epd). Knapp vier Wochen vor Beginn des evangelischen Kirchentages in Bremen haben sich rund 90.000 Dauerteilnehmer zu dem Protestantentreffen fest angemeldet. "100.000 werden wir erreichen", sagte die Generalsekretärin des Kirchentages, Ellen Ueberschär, in einem epd-Gespräch. Vor zwei Jahren beim Kirchentag in Köln wurden 103.000 Dauerteilnehmer gezählt.

Nach Einschätzung Ueberschärs wird die aktuelle Wirtschaftskrise die Debatten in Bremen bestimmen. "Aber der Kirchentag ist kein Wirtschaftsforum", sagte sie. Deshalb werde es bei den rund 2.500 Veranstaltungen vom 20. bis 24. Mai insbesondere auch um die Verantwortung jedes Einzelnen für ein nachhaltiges Wirtschaften gehen.

Als prominente Gäste werden unter anderem Altkanzler Helmut Schmidt und Weltbank-Präsident Robert Zoellick in Bremen über "Verantwortung in der globalen Krise" sprechen. "Für den Kirchentag ist die kritische Auseinandersetzung mit der Globalisierung nicht neu, deshalb hat uns das Thema Weltwirtschaftskrise nicht überrascht", sagte Ueberschär. Letztendlich hätten sich die Thesen des Club of Rome zu den Grenzen des Wachstums aus dem Jahr 1972 mit der aktuellen Krise bestätigt.

Eine pauschale Anklage der Manager erwartet die Theologin aber in Bremen nicht. "Die Zeiten der Kritik, die nicht zuhört, sind vorbei", sagte Ueberschär mit Verweis auf scharfe Angriffe gegen Gäste des Kirchentages in früheren Jahren.

Als weitere bedeutendeThemen des 32. Deutschen Evangelischen Kirchentages unter der biblischen Losung "Mensch, wo bist du?" nannte Ueberschär Bildung und Erziehung, Klimaschutz sowie Rückblicke auf den Mauerfall vor 20 Jahren sowie 60 Jahre Kirchentagsgeschichte. Der erste von einer Laienbewegung getragene evangelische Kirchentag war 1949 in Hannover gefeiert worden. Im nächsten Jahr begehen Protestanten und Katholiken in München zum zweiten Mal einen ökumenischen Kirchentag, der evangelische Kirchentag 2011 findet in Dresden statt.

27. April 2009

Deutscher Evangelischer Kirchentag (DEKT)


Lust am kreativen Chaos

Generalsekretärin Ellen Ueberschär ist das Gesicht des Kirchentages

Von Dieter Sell (epd)

Bremen (epd). Heute in Bremen, morgen in Fulda, München oder Berlin: Ellen Ueberschär, die Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages, ist ständig unterwegs. Die promovierte Theologin gibt dem Kirchentag ein Gesicht und hält die größte protestantische Laienbewegung zusammen. "Das ist ständige Veränderung", sagt die 41-Jährige, die sich im kreativen Chaos sichtlich wohlfühlt: Kirchentag sei immer dann richtig schön, "wenn es flirrt".

Flirren wird es wohl auch in Bremen, wenn sich vom 20. bis 24. Mai etwa 100.000 Dauerteilnehmer in der Hansestadt treffen, um über die Kirchentagslosung "Mensch, wo bist du?" nachzudenken. Rund 2.500 Programmpunkte an außergewöhnlichen Veranstaltungsorten in der Innenstadt und im alten Hafenviertel gibt es. "Bremen steht - und Bremen steht sehr gut", schwärmt Ueberschär.

Tatsächlich ist Bremen der Auftakt zu drei aufreibenden Kirchentagsjahren. 2010 begehen Protestanten und Katholiken in München zum zweiten Mal einen ökumenischen Kirchentag. Dann folgt der evangelische Kirchentag 2011 in Dresden. "Das Tripple lag wie ein Berg vor uns", erinnert sich die Generalsekretärin an den Beginn ihrer Amtszeit 2006. Doch mittlerweile ist das Gefühl entspannter. Sie muss es wissen, denn sie "regiert" den Hauptsitz des Kirchentages im osthessischen Fulda, hält aber gleichzeitig den Kontakt zur Geschäftsstelle in der jeweiligen Kirchentagsstadt, die mit dem Geld umgeht.

Das ist zuweilen ein Balanceakt wie auf dem Schwebebalken, zu dem eine Menge diplomatisches Geschick gehört. Vor dem Engagement beim Kirchentag war Ueberschär Studienleiterin für Theologie, Ethik und Recht an der Evangelischen Akademie im niedersächsischen Loccum. Schon als Teenager war sie aktiv in der evangelischen Jugend der Ostberliner Kirche, was die Behörden nicht gerne sahen. Nach dem Abitur wollte sie eigentlich Medizin studieren, doch der DDR-Staatssozialismus machte einen Strich durch ihre Berufswünsche.

Ueberschär begann eine Ausbildung als Facharbeiterin für Datenverarbeitung. Von 1988 bis 1995 studierte sie in Berlin und Heidelberg Theologie und war anschließend wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Theologie der Universität Marburg. Nach dem Mauerfall gehörte sie zum "Kuratorium für einen demokratisch verfassten Bund deutscher Länder", der ersten gesamtdeutschen Bürgerinitiative, die eine neue Verfassung des wiedervereinigten Deutschlands anstrebte. Ueberschär engagierte sich in der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung und in der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Damals wie heute übernahm Ueberschär Verantwortung. Die ehrenamtliche Kirchentags-Präsidentin Karin von Welck muss sich darauf verlassen können, dass die Hauptamtliche als erste Ansprechpartnerin der Gremien die Fäden in der Hand hält. Wer sich in dieser Rolle bewährt, kann es weit bringen: Die Berliner Pröpstin Friederike von Kirchbach und die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann waren Ueberschärs Vorgängerinnen.

Doch zunächst freut sich Ueberschär auf einen "Kirchentag der Schiffe" in Bremen, der auch rund um den alten Europahafen in der Hansestadt gefeiert wird. Dort, in der Überseestadt, stehen alte und verlassene Industriebauten neben Büro-Lofts. Hier bevölkert der Kirchentag alte Speicher und baut Zelte auf und nutzt den Museumsfrachter "Cap San Diego" als Veranstaltungszentrum. Ueberschär ist begeistert von dem Quartier, das gerade entsteht: "Orte, die noch nicht fertig sind, bergen Kreativität, sie haben ihren eigenen Reiz."

27. April 2009