Merkel würdigt Barmer Theologische Erklärung

Präses Schneider: Nichterwähnung der Judenverfolgung "Wermutstropfen"

Düsseldorf (epd). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Bedeutung der vor 75 Jahren verabschiedeten Barmer Theologischen Erklärung gewürdigt und ihre Aktualität hervorgehoben. Die Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche 1934 in Wuppertal-Barmen habe mit der Erklärung ein Zeichen des Widerstands gegen den Nationalsozialismus gesetzt, schrieb Merkel in einem Beitrag für das in Düsseldorf erscheinende evangelische Monatsmagazin "Chrismon plus Rheinland" (Mai-Ausgabe).

Die Synode habe zwar nur eine Minderheit der deutschen Protestanten vertreten, "aber sie bewahrte die Evangelische Kirche vor der Selbstaufgabe und verlieh ihr damit auch nach 1945 Kraft und Glaubwürdigkeit". Die Barmer Erklärung ist nach Merkels Worten bis heute ein wichtiger Wegweiser zur Unterscheidung zwischen dem Auftrag der Kirche und den Aufgaben des Staates. Danach habe der Staat für Recht und Frieden zu sorgen. Ethisch-moralische Standards könne die Politik dagegen nicht selbst setzen, sondern nur aufnehmen.

"Indem die Kirche aus christlichem Glauben heraus moralische Ansprüche vertritt, kann sie der Politik ein richtungweisender Partner sein", so Merkel. Nach dem Barmer Bekenntnis erinnere die Kirche "an Gottes Reich, an Gottes Gebot und Gerechtigkeit und damit an die Verantwortung der Regierenden und Regierten". Dieses Wechselspiel weltlichen und geistlichen Wirkens sei für eine funktionierende, stabile Demokratie wesentlich, betonte die Kanzlerin.

Deutschland könne als demokratischer und freiheitlicher Staat unterschiedliche Weltanschauungen und Glaubensbekenntnisse integrieren, auch wenn die jüdisch-christliche Tradition prägend bleibe. "Ob Jude, Moslem oder Christ, ob gläubig oder nicht - wir alle stehen in gemeinsamer Verantwortung für unser Land und seine Zukunft", schrieb Merkel.

Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, wies auf einen "besonderen Wermutstropfen" der Barmer Erklärung hin, die am 31. Mai 1934 verabschiedet wurde: "das Fehlen und die Nichterwähnung der schon 1934 diskriminierten und verfolgten Jüdinnen und Juden in Deutschland". Zwar habe 1934 noch nicht die Dimension der gewollten Auslöschung des jüdischen Volkes gesehen werden können, schrieb Schneider in dem Magazin. "Aber die Bekenner von Barmen haben an dieser Stelle versagt."

Auch Schneider hob neben der Abgrenzung von der totalitären Ideologie des NS-Staates die Äußerungen der Barmer Erklärung zum Verhältnis von Kirche und Staat hervor. Der Staat müsse für Recht und Frieden sorgen und die Kirche habe als Zeugin von Gottes Willen und Tun das Wächteramt, ihn an seine Grenzen und an seine Aufgaben zu erinnern. Das Barmer Bekenntnis schärfe ein, "dass die Anerkennung der staatlichen Autorität in der Gottesfurcht ihren Grund und ihre Grenze hat". Ihre Autorität leite die Kirche aus dem Wort Gottes her.

Die Barmer Theologische Erklärung gilt als prägendes Dokument für die Geschichte der evangelischen Kirche in Deutschland nach 1945. Historiker werten die Thesen als Gründungsurkunde und moralische Legitimation für den Neuaufbau des deutschen Protestantismus nach dem Zweiten Weltkrieg. Das zentrale Papier des Kirchenkampfes wurde weltweit zum Vorbild für christliche Befreiungsbewegungen in totalitären Staaten.

30. April 2009

Barmer Theologische Erklärung