Prominenter ostdeutscher Theologe Heino Falcke wird 80 Jahre alt

Erfurt (epd). Der frühere Erfurter Propst Heino Falcke, der zu den profiliertesten Theologen in Ostdeutschland zählt, wird am Dienstag 80 Jahre alt. Als Vordenker der kirchlichen Friedensbewegung ist er auch weit über die Grenzen der DDR hinweg bekanntgeworden. 1984 ehrte ihn die Universität Bern mit der theologischen Ehrendoktorwürde. Zu Falckes 80. Geburtstag hat der Erfurter Kirchensprengel am Dienstag zu Gottesdienst und Empfang in das Augustinerkloster in der Landeshauptstadt eingeladen.

Der Eisenacher Bischof Christoph Kähler würdigte Falcke als "wichtige Stimme in einer bleiernen Zeit". Unter dem Eindruck der 1968 niedergeschlagenen Reformen des Kommunismus in Prag habe Falcke stets "hörbar Verbesserungen in der Gesellschaft und in der Kirche" gefordert. "Seine Überlegungen trugen in der friedlichen Revolution 1989 Früchte", fügte Kähler hinzu.

1972 ermunterte Falcke mit einem Vortrag vor der Synode des DDR-Kirchenbundes dazu, die Hoffnung auf eine "verbesserliche Kirche", aber auch auf einen "verbesserlichen Sozialismus" nicht aufzugeben. Später hat er maßgebliche Impulse für den Aufruf des Ökumenischen Rates zur Einberufung einer weltweiten Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung gegeben.

1983 lud ihn die westdeutsche Friedensbewegung als Redner zur großen Kundgebung in den Bonner Hofgarten ein. In den 90er Jahren gehörte Falcke zu den Initiatoren der "Erfurter Erklärung", die eine neue, gerechtere Politik in Deutschland forderte.

Falcke ist am 12. Mai 1929 in Riesenburg (Westpreußen) geboren. Er studierte nach Kriegsende in Berlin, Göttingen und Basel Evangelische Theologie. Fünf Jahre war er als Gemeindepfarrer, danach zehn Jahre als Direktor des Predigerseminars in Gnadau bei Magdeburg tätig. 1973 berief ihn seine Kirche zum Propst des Sprengels Erfurt, den er bis zu seinem Ruhestand 1994 leitete.

11. Mai 2009



Vordenker für einen friedlichen Wandel in der DDR

Der frühere Erfurter Propst Heino Falcke wird am Dienstag 80 Jahre alt

Von Hans-Jürgen Röder (epd)

Erfurt (epd). Ein Volkstribun ist er sicherlich nicht. Und doch hat Heino Falcke wie kein anderer deutsch-deutsche Geschichte geschrieben. An diesem Dienstag vollendet der langjährige Erfurter Propst, dem die Kirchen wie die Friedensbewegung in Ost und West entscheidende Denk- und Handlungsimpulse verdanken, in der Thüringer Landeshauptstadt sein 80. Lebensjahr.

Nicht nur Staat und Kirche, auch sich selbst hat es Falcke nie leicht gemacht. In einem Schlüsselreferat zum Selbstverständnis der DDR-Kirchen mutete er 1972 nicht nur den Christen seine "Hoffnung auf eine verbesserliche Kirche" zu, sondern auch der SED die "engagierte Hoffnung" auf einen "verbesserlichen Sozialismus". Damit hatte er zwar nichts anderes gefordert, als die SED selbst immer wieder propagierte. Dennoch ließen die zarten Anklänge an die Prager Reformsozialisten bei der Ost-Berliner Parteiführung sofort alle Alarmglocken läuten.

Für die SED war er damit auf Jahre zum "Staatsfeind" abgestempelt. Doch das hat den engagierten Pazifisten, der am 12. Mai 1929 in Riesenburg (Westpreußen) geboren wurde, nicht davon abgehalten, die Christen im Land immer wieder zu "konkret unterscheidender Mitarbeit" und zu "kritischer Solidarität" mit der DDR-Gesellschaft zu ermuntern.

Trotz kirchenleitender Verantwortung, die er 1973 mit dem Erfurter Propstamt übernahm, hat er den Kontakt zur Basis nie verloren. Vor allem die Friedens- und Umweltgruppen ermutigte Falcke immer wieder zur Mitarbeit in Kirche und Gesellschaft. Dabei ließ er keinen Zweifel daran, dass das Engagement der Gruppen zum Zentrum kirchlicher Arbeit gehöre und nicht an den Rand, wie mancher seiner Amtsbrüder glaubte.

Wiederholt hervorgetreten ist Falcke zudem als brillanter Redner auf Kirchentagen und großen Friedenstreffen. Dabei hat er nicht nur die beiden großen Militärblöcke vor einer Fortsetzung ihres Rüstungswettlaufs gewarnt, sondern auch an die Friedensbewegung in Ost und West appelliert, das Engagement der jeweils anderen Seite nicht für eigene Zwecke zu instrumentalisieren.

Ähnlich unkonventionell argumentierte er auch Anfang der 80er Jahre, als es darum ging, die weltweite Christenheit zum gemeinsamen Eintreten für Gerechtigkeit, Frieden und Schöpfungsbewahrung zu ermuntern. Auf sein Drängen brachten DDR-Teilnehmer der Weltkirchenkonferenz 1983 in Vancouver den Vorschlag für ein Friedenskonzil aller christlichen Kirchen ein. Die Anregung stammte vom Theologen und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer, der 1934 bei einem internationalen Treffen im dänischen Fanö eine weltweite Friedensversammlung gefordert hatte.

Der neuerliche Anstoß durch Falcke sollte mehr Erfolg haben. Auf DDR-Ebene kam 1988 die erste Ökumenische Versammlung zustande, die ihre Arbeit bereits ein gutes Jahr später mit zwölf Grundsatztexten beendete. Ihre theologische Grundlegung mit dem Ruf zur Umkehr und ihren drei "vorrangigen Optionen" für die Armen, für Gewaltfreiheit und für den Schutz allen Lebens tragen Falckes unverkennbare Handschrift.

"Auch der in der DDR existierende Sozialismus bedarf einer Umgestaltung", betonte einer der Texte, die bereits wesentliche Forderungen der später im Herbst 1989 entstehenden Oppositionsgruppen und Parteien enthalten. Dem Dresdner Treffen folgten bald entsprechende Versammlungen auf europäischer Ebene in Basel und auf Weltebene im südkoreanischen Seoul - allerdings ohne die erhoffte Ausstrahlung.

Allen Angeboten zum Trotz hat sich Falcke nach der Wende einen Wechsel in die Politik versagt - ähnlich wie zuvor schon den wiederholten Bitten nach Übernahme eines Bischofsamtes. Und auch nach seinem Ruhestand 1994 ist er sich und seinem Engagement treu geblieben - sei es als einer der Initiatoren der "Erfurter Erklärung", die angesichts der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich eine grundlegende Erneuerung der Politik forderte, sei es bei den großen Demonstrationen gegen den Irak-Krieg vor gut einem Jahr oder beim Disput über gesellschaftliche Ursachen für die Bluttat am Erfurter Gutenberg-Gymnasium im April 2002.

11. Mai 2009