Bischof Huber ruft zu Verzicht auf Kulturpreis auf

EKD-Ratsvorsitzender: "Groß Geste" könnte Streit entschärfen

Frankfurt a.M. (epd). Der Streit über den diesjährigen Hessischen Kulturpreis sollte aus Sicht des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, mit dem Verzicht auf die Preisverleihung entschärft werden. Es wäre eine "große Geste", wenn die designierten evangelischen und katholischen Mitpreisträger "zu einem solchen Schritt auch ihrerseits beitragen würden" und die dem muslimischen Schriftsteller Navid Kermani aberkannte Auszeichnung nicht entgegennähmen, sagte Bischof Huber am Samstag in Berlin. Die EKD-Kulturbeauftragte Petra Bahr rief den früheren hessischen Kirchenpräsidenten Peter Steinacker und den Mainzer Kardinal Karl Lehmann auf, in der Auseinandersetzung über die Kreuzestheologie das Gespräch mit Kermani zu suchen.

Steinacker und Lehmann hatten wegen eines Zeitungsartikels Kermanis eine gemeinsame Verleihung abgelehnt. In dem Essay hatte der muslimische Publizist das christliche Kreuz als barbarisch und die Kreuzestheologie als Gotteslästerung beschrieben, sich zugleich aber von der Betrachtung eines Kreuzigungsgemäldes tief berührt gezeigt. Vor wenigen Tagen hatte die hessische Landesregierung entschieden, Kermani den Preis abzuerkennen und ihn am 5. Juli nur Steinacker, Lehmann und dem Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden, Salomon Korn, zu verleihen. Mit der Auszeichnung sollen Lebensleistungen für die interreligiöse Kooperation und die Schaffung einer Kultur des Respekts gewürdigt werden.

Huber sagte, die Vorstellung, dass der Preis von drei der vier vorgesehenen Preisträger entgegengenommen werde, wäre für das Verhältnis von Kultur und Religion in Deutschland "kein richtiges Signal". Die notwendige Debatte zwischen Christen, Muslimen und Juden über die Kreuzestheologie könne nicht in dem kurzen Zeitraum bis zur Preisverleihung "zu einem Ende gebracht werden", sondern müsse sich erst entwickeln.

Die bisherigen Veröffentlichungen von Kermani dürften "bei allem Provozierenden" nicht auf einen Satz reduziert werden. "Das wird den Äußerungen von Kermani in meinen Augen nicht gerecht", sagte der Berliner Bischof. Kermani habe in seinem Aufsatz in der "Neuen Zürcher Zeitung" auch eine "sehr bemerkenswerte Aussage" mit großer Offenheit gegenüber dem Christentum getroffen. "Umso mehr bedauere ich den Konflikt", sagte Huber.

Die EKD-Kulturbeauftragte Bahr sagte dem epd, das kritisierte Zeitungsessay über Guido Renis Bild "Kreuzigung" sei geradezu ein Gesprächsangebot und kein Abbruch des muslimisch-christlichen Dialogs vonseiten Kermanis. Der Text müsse als "Bildbeschreibung eines Muslimen" verstanden werden. "Nichts ist im Christentum so hochgradig erklärungsbedürftig wie der Glaube an den Kreuzestod Jesu", sagte die Theologin. "Christen sollten vorsichtig sein mit dem Blasphemie-Vorwurf."

Auch der künftige evangelische Berliner Bischof Markus Dröge sagte dem epd, er habe "wenig Verständnis" für den Konflikt. Der am Freitagabend zum Nachfolger Hubers an die Spitze der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz gewählte Dröge erläuterte, die Interpretation des Kreuzes durch Kermani sei "durchaus revolutionär". Er bedauere sehr, dass "man dieses Gesprächsangebot nicht aufgenommen hat".

Der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, sieht durch die Vorgänge um den Kulturpreis den interreligiösen Dialog "mit Füßen getreten". Die Reaktion der christlichen Preisträger Lehmann und Steinacker sei "schlicht und ergreifend unreif und kindisch", sagte Mazyek dem in Berlin erscheinenden "Tagesspiegel".

18. Mai 2009