Minister und Kirche: Demokratische Rechte wahrnehmen

Bischof Huber bittet um Gebet für Iran

Odenthal (epd). Politiker und Kirchenleute haben die Deutschen aufgerufen, sich stärker an der Demokratie zu beteiligen. "Wir neigen dazu, dass Dinge, die wir haben, an Wertschätzung verlieren", mahnte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Montagabend in einer Podiumsdiskussion der evangelischen Kirche in Odenthal bei Köln. Er verwies auf die niedrige Wahlbeteiligung bei der jüngsten Europawahl und bei vielen Kommunalwahlen. In der Gesprächsrunde zu 20 Jahren deutscher Einheit im Altenberger Dom ging es darum, wie Ost und West noch besser zusammenwachsen können.

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) sagte: "Wir könnten etwas mehr Begeisterung für Demokratie ausstrahlen." Das gelte nicht nur für die Politik. Die Wahlbeteiligung ist nach Einschätzung der Grünen-Politikerin höher, wenn die Menschen das Gefühl hätten, mit ihrer Stimmabgabe wirklich etwas entscheiden zu können.

Der frühere Bundesminister Jürgen Schmude (SPD) nannte Demokratie "eine Form der Selbstverwirklichung und der Aufgabenwahrnehmung für alle". Er erinnerte an die Warnung des ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau, die Demokratie gerate in Gefahr, wenn bei einer Wahl die Zahl der Nichtwähler größer sei als die Stimmenzahl der stärksten Partei. In manchen Landstrichen gebe es heute nicht einmal genügend Kandidaten für eine Ratswahl, beklagte Schmude und fragte: "Was wollt ihr Menschen? Ihr habt jetzt die Chance, nach denen sich die Menschen in der DDR jahrzehntelang gesehnt haben."

Für den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, hat das wiedervereinigte Deutschland Grund zu großer Dankbarkeit für seine Staatsform. "Zwanzig Jahre nach der uns geschenkten friedlichen Revolution sollten wir den Blick offen haben für Menschen, die an anderen Orten sich nach einer Demokratie sehnen, wie wir sie jetzt Gott sei Dank haben", sagte der Berliner Bischof. Er nannte als Beispiel die Demonstrationen im Iran nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl. Huber bat um Aufmerksamkeit und Fürbitte für die Menschen und die Situation im Iran.

Auch Schäuble lenkte den Blick über die Grenzen hinweg. Deutschland verdanke seine Einheit auch der Europäischen Union und dürfe sich nicht nur mit sich selbst beschäftigen, betonte er. Der Nationalstaat mache nicht "allein selig", sondern müsse "dringend durch wachsende europäische Einigung überlagert werden". Die Westdeutschen forderte Schäuble zu mehr Respekt gegenüber den Ostdeutschen auf.

Göring-Eckardt warnte davor, das Leben in der DDR zu verklären, und mahnte zu weiterer Aufarbeitung des Unrechts im SED-Staat. Vor allem die Jugendlichen sollten sich damit auseinandersetzen. Das Leben in der DDR sei vom Kindergarten an "mit Ideologie eingetrübt" gewesen und das Recht habe jeden Tag gebeugt werden können. Aber auch die Auflehnung vieler DDR-Bürger, die zur friedlichen Wende geführt habe, gelte es anzuerkennen, sagte die Vorsitzende der EKD-Synode.

Zu der Diskussion unter der Überschrift "Deutschland einig Vaterland: Hoffnungen 1989 - Wirklichkeit 2009" hatten die EKD und die Evangelische Kirche im Rheinland eingeladen. Das "Johannes-Rau-Kolloquium" soll eine Veranstaltungsreihe begründen, die das Lebenswerk des früheren Bundespräsidenten würdigt. Dem "öffentlichen Protestanten und politischen Christen" Rau sei die deutsche Einheit ein großes Anliegen gewesen, sagte Bischof Huber. "Man wird nicht viele westdeutsche Politiker nennen können, die sich so beharrlich für die Verbindung zwischen den Menschen in Deutschland einsetzten wie Johannes Rau."

16. Juni 2009