Ärzte und Kirchen kritisieren Gesetz zur Patientenverfügung

Montgomery sieht abschreckende Wirkung - Bischof Huber bedauert Bundestagsbeschluss

Berlin/Frankfurt a.M. (epd). Das neue Patientenverfügungsgesetz stößt bei den Kirchen und in der Ärzteschaft auf Kritik. Der Vizepräsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, äußerte am Freitag die Einschätzung, das Gesetz könne abschreckende Wirkung haben. Die evangelischen Bischöfe Wolfgang Huber und Martin Hein bedauerten den Bundestagsbeschluss vom Donnerstag, der die Rechtslage nicht verbessere. Auch der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, meldete Bedenken an. Der evangelische Sozialethiker Ulrich Körtner teilt die Kritik der Kirchen nicht, sieht aber auch Mängel in dem Gesetz.

"Das ist ein Patientenverfügungsverhinderungsgesetz", sagte Montgomery in einem epd-Gespräch. Viele Menschen, die bislang keine Patientenverfügung hätten, seien jetzt verwirrt. Weil es keine Möglichkeit gebe, eine Patientenverfügung zu widerrufen, hätten die Menschen Angst, eine schriftliche Willenserklärung zu verfassen. Die Bundesärztekammer hatte im Vorfeld wiederholt gefordert, keine gesetzliche Regelung zu verabschieden.

Die bislang rund acht Millionen existierenden Patientenverfügungen seien weiterhin gültig, sagte die Sprecherin des Bundesjustizministeriums, Eva Schmierer. Es werde allerdings empfohlen, die getroffenen Festlegungen regelmäßig zu überprüfen. Damit könne sichergestellt werden, dass die Verfügung auch dem tatsächlichen Willen des Kranken entspreche.

Der Bundestag hatte am Donnerstag dem Gesetzentwurf des SPD-Rechtspolitikers Joachim Stünker mehrheitlich zugestimmt. Danach werden Patientenverfügungen in ihrer Reichweite nicht beschränkt. Sie gelten auch, wenn die Krankheit noch keinen unumkehrbar tödlichen Verlauf angenommen hat. Der Betreuer hat die Aufgabe, den mutmaßlichen Willen des Patienten zu ermitteln und zu vertreten.

"Wir haben uns zwar grundsätzlich für eine gesetzliche Regelung ausgesprochen", sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, am Donnerstagabend. Gerade am Gesetzentwurf Stünkers habe es aber erhebliche Kritik der Kirchen gegeben. Dieser Entwurf gehe einseitig von einer zu eng gefassten Vorstellung von Selbstbestimmung aus: "Die Balance zwischen Selbstbestimmung und Fürsorge stimmt nicht."

Nach dieser Richtungsentscheidung müssten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um wenigstens in der Umsetzung auch die kritischen Stimmen, insbesondere vieler Ärzte, so weit wie möglich zu berücksichtigen, sagte Huber. Ähnlich äußerte sich auch Bischof Martin Hein von der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Erzbischof Zollitsch unterstrich, bei einer gesetzlichen Regelung, die einseitig die Selbstbestimmung des Patienten betont, müsse genau überprüft werden müsse, ob sie dem vorab verfügten Patientenwillen und dessen Krankheits- und Sterbesituation gerecht werde.

Der evangelische Sozialethiker Körtner teilt die Kritik der Kirchen nicht, dass das Patientenverfügungsgesetz die Autonomie der Patienten einseitig zulasten der ärztlichen Fürsorgepflicht stärke. Stattdessen befürchtet er, dass sich die vermeintliche Stärkung des Selbstbestimmungsrechtes vielfach als "Mogelpackung" herausstellen werde, sagte der Professor für Systematische Theologie in einem epd-Gespräch. Dass Patientenverfügungen nach einer gewissen Frist erneuert werden müssten, könnte sich als problematisch erweisen. Wenn zwischen Formulierung der Verfügung und deren Wirksamwerden ein zu großer Zeitraum liegt, führe dies wiederum zu erheblichen Auslegungsspielräumen. "Insofern halte ich das deutsche Gesetz für eine Scheinlösung", sagte der in Wien lehrende Theologe.

19. Juni 2009