"Ein Protestant aus Baden"

Wie kein Innenminister zuvor forciert Wolfgang Schäuble den Dialog mit Muslimen

Von Rainer Clos (epd)

Frankfurt a.M. (epd). Vor wenigen Tagen traf Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Kairo mit islamischen Religionsgelehrten und koptischen Geistlichen zusammen. Bei seinem Besuch an der Universität Kairo betonte er vor Wissenschaftlern und Politikern, die rund vier Millionen Muslime in Deutschland hätten "Anspruch auf gleiche Rechte, weil unser Staat weltanschaulich neutral ist und Religionsfreiheit garantiert".

Doch der Innenminister beließ es bei seinem Ägypten-Besuch nicht dabei, sich in Gesprächen mit islamischen Würdenträgern ein Bild vom Leben der Muslime zu machen, sondern setzte noch einen weiteren Akzent. In der Bibliothek von Alexandria würdigte er den Beitrag der vor 125 Jahren von katholischen Ordensschwestern gegründeten Deutschen Schule der Borromäerinnen zum interreligiösen Dialog.

Als Bundesinnenminister ist Schäuble nicht nur der Mann für innere Sicherheit, Extremismusabwehr, Datenschutz sowie Integration und Migration. In der Bundesregierung ist er auch zuständig für grundsätzliche Angelegenheiten des Staatskirchenrechts und für die Beziehung zu den Kirchen sowie den Religionsgemeinschaften. In seiner zweiten Amtszeit als Innenminister beackert Schäuble das Themenfeld Religion wie keiner seiner Vorgänger.

Dabei unterliegt er zu keinem Moment der Versuchung, in die nicht vorgesehene Rolle eines "Religionsministers" zu schlüpfen. Zwischen seiner Verantwortung als Bundesminister und seinem persönlichen Glauben trennt er klar. "Der Staat ist religiös neutral", wirbt er immer wieder in Richtung der Muslime. Der Christdemokrat fügt auch hinzu, die Gesellschaft brauche Religion, der Staat sei auf die religiösen Bindungen seiner Bürger angewiesen. Schäuble orientiert sich an der Vorhersage des französischen Kulturpolitikers und Widerstandskämpfers André Malraux (1901-1976): Das 21. Jahrhundert werde ein Jahrhundert der Religion sein, oder es werde nicht sein.

"Der Islam ist Teil Deutschlands" - immer wieder sagt der Bundesinnenminister diesen Satz, seit er 2006 erstmals zur Deutschen Islamkonferenz eingeladen hat. War der Doppelpass das gesellschaftspolitische Projekt unter Rot-Grün, so sieht Schäuble eine zentrale Aufgabe darin, im Dialog mit den Muslimen die Rahmenbedingungen für die Einbürgerung des Islam zu schaffen. Repräsentanten der islamischen Dachverbände, die gerne für sich einen Alleinvertretungsanspruch für in Deutschland lebenden Muslime reklamieren, brachte er zu dem Forum mit Aleviten und unabhängigen Muslimen, gar islamkritischen Stimmen zusammen.

Mit einem erstaunlichen Pensum suchte der Minister in den vergangenen Monaten auf vielfältige Weise das Gespräch mit den Muslimen. In Hohenheim erörterte er mit islamischen und christlichen Theologen Wege, wie sich eine islamische Theologie an deutschen Hochschulen etablieren lässt. In Offenburg machte er sich ein Bild über den baden-württembergischen Modellversuch zum islamischen Religionsunterricht. In München hielt er die Laudatio, als der Großmufti von Bosnien und Herzegowina, Mustafa Ceric, mit dem Eugen-Biser-Preis geehrt wurde.

Über seine eigenen konfessionellen Wurzeln spricht der CDU-Politiker, der mit einer Katholikin verheiratet ist, freimütig. Seine eigene Kirche ist dem "Protestanten aus Baden", wie sich Schäuble gerne vorstellt, nicht nur ein Gegenüber, sondern auch Heimat. Im heimischen Gengenbach sitzt er dem Kuratorium für Konzerte in den örtlichen Kirchen vor. In Wittenberg ermunterte er die evangelische Kirche, auf ihrem Reformkurs fortzufahren: "Unser Land, unser Volk brauchen starke, zukunftsmutige Kirchen."

Auch das Gespräch mit den Repräsentanten der Juden ist dem Bundesinnenminister keine Pflichtübung. Rabbiner-Ordination, neue Synagogen oder den Neubau der Hochschule für jüdische Studien in Heidelberg sieht er als Zeugnisse für das Wiederentstehen jüdischen Lebens in Deutschland. Schäuble will diejenigen bestärken, "die den Wert lehren, der im jüdischen, christlichen und islamischen Glauben tief verankert ist: den Wert der Gemeinschaft auf Grundlage der Würde des Einzelnen."

25. Juni 2009