Evangelische Kirche will Reformen fortsetzen

Huber und Göring-Eckardt: Zukunftswerkstatt in Kassel als nächste Etappe

Berlin (epd). Die Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sieht ihren Reformprozess drei Jahre nach dem Start auf einem guten Weg. Das 2006 vorgestellte Impulspapier "Kirche der Freiheit" habe in vielen Bereichen Aktivitäten ausgelöst, sagte der EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber am Freitag in Berlin. Der Einfallsreichtum und die Kreativität, den die Kirche dabei in vielen Bereiche zeige, sei beeindruckend.

Wie der Berliner Bischof warb Synodenpräses Katrin Göring-Eckardt für einen einladenden Protestantismus, der sich nicht abschotte, sondern neugierig mache. Beide sprachen sich dafür aus, den Reformprozess fortzuführen.

Angesichts sinkender Mitgliederzahlen und Einnahmen hatte die EKD-Spitze vor fast drei Jahren einen breit angelegten Umbauprozess auf allen kirchlichen Ebenen angestoßen. Darin wird unter anderem für eine bessere Qualität kirchlicher Angebote und für Strukturanpassungen geworben. Im Januar 2007 wurde die Reformdiskussion auf dem Zukunftskongress in Wittenberg weitergeführt. Im selben Jahr bezog das Kirchenparlament (Synode) Position zu den Reformbestrebungen, die Bildung von Zentren für Predigtkultur, Qualitätsentwicklung sowie Mission in der Region wurde vereinbart. Eine Zukunftswerkstatt in Kassel im September soll anhand von Praxisbeispielen die vielfältigen Reformaktivitäten illustrieren. Dazu werden rund 1.000 Teilnehmer aus allen Landeskirchen der EKD erwartet.

Bischof Huber räumte ein, dass der in dem Reformpapier geforderte "Mentalitätswandel" Zeit brauche und nicht verordnet werden könne. "Aber dieser Mentalitätswandel ist nicht einfach ein Selbstzweck", hob er hervor. Huber räumte ein, dass viele Gemeinden noch zu sehr mit sich selbst beschäftigt seien und Reformimpulse als zusätzliche Belastung empfänden. Die Zielvorgaben zu Kirchgang und Taufen, die auch in der Pfarrerschaft kritisch aufgenommen wurden, verteidigte der EKD-Repräsentant: "Es ist uns in der evangelischen Kirche eben nicht gleichgültig, ob wir schlechten oder guten Gottesdienstbesuch haben, es ist uns nicht gleichgültig, ob wir viele oder wenige Kinder eines Jahrgangs taufen."

Nach Einschätzung von Synodenpräses Göring-Eckardt stehe heute mehr als die Hälfte der Pfarrerschaft hinter dem Reformprozess. Es gehe für der Kirche nicht um Anpassung, sondern "um leidenschaftliches Eintreten für Christsein in der Gesellschaft", notfalls auch als Mahnerin. Die Grünen-Politikerin ordnete den Reformprozess in die Lutherdekade ein, die das Reformationsjubiläum 2017 vorbereitet. Besonders im ländlichen Raum gebe es allerdings noch Vorbehalte gegen Veränderung.

Aus ihrem Politikerberuf wisse sie, wie mühsam Reformen seien und wie bescheiden deren Ergebnisse mitunter erschienen, sagte die Bundestagsvizepräsidentin. Gelingende Reformen setzten langen Atem und geduldige Arbeit voraus, sagte sie. "Wir wollen einen unternehmungsfreudigen Protestantismus, der sich nicht in seine vier Wände zurückzieht", sagte Göring-Eckardt.

Die Zukunftswerkstatt sieht die Synodenpräses als nächste Etappe im Reformprozess. Diese biete die Chance, über regionalen und landeskirchliche Grenzen hinweg voneinander zu lernen.

26. Juni 2009

EKD-Pressemitteilung mit weiteren Texten und Informationen


"Wir wollen einen einladenden Protestantismus"

Zukunftswerkstatt startet nächste Etappe im EKD-Reformprozess

Frankfurt a.M. (epd). Fast genau drei Jahre nach dem spektakulären Start des Reformprozesses in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zog Bischof Wolfgang Huber als maßgeblicher Initiator am Freitag in Berlin eine Zwischenbilanz. Aus der kritisch-konstruktiven Reaktion, den das im Sommer 2006 vorgelegte Impulspapier "Kirche der Freiheit" erfuhr, folgerte Huber: "Der Weg in die Zukunft wird nicht zentralistisch von oben festgelegt, sondern gemeinsam gesucht." Was aus dem Reformruck wird, entscheide sich an der kirchlichen Basis. Wie die Anstöße in Gemeinden, Regionen und Landeskirchen aufgegriffen und konkret fortentwickelt werden, sei deshalb besonders wichtig.

Mit der Grünen-Politikerin und Synodenpräses Katrin Göring-Eckardt ist sich der EKD-Ratsvorsitzende einig: Sollen Reformen gelingen, braucht es langen Atem und geduldige Arbeit - die Mühen der Ebene also. Auch im Ziel stimmt die EKD-Doppelspitze überein: Es geht um eine einladende Kirche, die sich nicht abschottet, sondern neugierig ist und sich als Mahnerin zu Fragen der Zeit einmischt.

An der Grundausrichtung des Veränderungsprozesses bedarf es Huber zufolge keiner Korrekturen: Die Konzentration auf die kirchlichen Kernaufgaben - Weitergabe des Evangeliums, Feier des Glaubens und praktischer Dienst am Menschen - müsse verknüpft werden mit einer neuen Öffnung für Menschen. Konkretisiert werden soll dieser "Mentalitätswandel", wie es der Bischof beschrieb, exemplarisch an den Themen Qualität kirchlicher Angebote, missionarische Öffnung sowie Leitung und Führung auf allen kirchlichen Ebenen.

Diese Reformaktivitäten sollen vertieft und gebündelt werden in drei Zentren, die von der EKD in Kooperation mit den Landeskirchen errichtet wurden: Zentrum für Predigtkultur in Wittenberg, Zentrum für Qualitätsentwicklung in Hildesheim sowie Zentrum für Mission in der Region mit Sitz in Dortmund, Stuttgart und Greifswald. Die nächste Etappe des Reformprozesses wird mit der Zukunftswerkstatt in Kassel Ende September eingeläutet, sind Huber und Göring-Eckardt überzeugt. Dieses Treffen biete die Chance zum Erfahrungsaustausch über regionale und landeskirchliche Grenzen hinweg. Die Initiativen und Beispiele aus Gemeinden und Regionen, die sich dort präsentieren, sollen zusätzlich beflügeln, sagt Huber.

Eine Provokation, für die das Impulspapier 2006 sorgte, war die Empfehlung zur Straffung der Strukturen angesichts der föderalen Zersplitterung des Protestantismus in ein Nebeneinander von großen, mittleren und ganz winzigen Landeskirchen. Hier ist auch ohne Zutun der EKD manches im Fluss. In Mitteldeutschland fusionierten zu Jahresanfang zwei evangelische Landeskirchen. Und zu Pfingsten 2012 soll die vereinte Nordkirche die bisherigen Landeskirchen von Mecklenburg, Nordelbien und Pommern ablösen. Hingegen steht in Niedersachen die Ampel für eine große Lösung zunächst wieder auf Rot. Für den Vorstoß, aus den fünf Landeskirchen auf dem Gebiet des Bundeslandes eine einzige große niedersächsische Kirche mit insgesamt vier Millionen Mitgliedern zu formen, hielten die meisten Landessynoden die Zeit noch nicht für reif.

26. Juni 2009