„Wer kennt schon den Weg, der vor ihm liegt?“

Der evangelische Sportpfarrer Thomas Weber berichtet von der Universiade in Belgrad

Belgrad (eb) - Vom 01. bis 12. Juli 2009 ist Belgrad die Metropole des studentischen Spitzensports. An der 25. Sommer-Universiade nehmen rund 9.000 Gäste aus 145 Nationen teil. Nach den Olympischen Spielen stellt die Sommer-Universiade mit 15 Sportarten die größte Multi-Sportveranstaltung der Welt dar. Dabei sind in zahlreichen Wettbewerben hochklassige Teilnehmerfelder mit Top-Athleten vertreten. Neben den vielfältigen Begegnungen rund um den Sport treffen die ausländischen Besucher auf die herzliche Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der einheimischen Bevölkerung.

Die Spuren der jüngeren serbischen Geschichte sind dabei überall präsent. Zahlreiche Gebäude, die während der Bombardierung Belgrads durch NATO-Flugzeuge im Frühjahr 1999 zerstört wurden, gehören ebenso zum Stadtbild  wie der Neubau der serbisch-orthodoxen Kathedrale „Hl. Sava“, der 2004 nach 20-jähriger Bauzeit teilweise fertig gestellt wurde. Die überwiegende Mehrheit  von 80% der 7,2 Millionen Einwohner Serbiens bekennt sich zur serbisch-orthodoxen Kirche. Das mächtige Bauwerk mit dem 12m hohen Kreuz auf der 68m hohen und 4000 Tonnen schweren Hauptkuppel wird von der Bevölkerung als „Stolz aller Serben“ bezeichnet.

Durch die Ausrichtung der Universiade möchten die Gastgeber der Welt ein neues, modernes Bild eines aufgeschlossenen und demokratischen Staates präsentieren. Nach den Bürgerkriegen in den 90er Jahren und der damit verbundenen Isolation bemüht sich Serbien um den Anschluss an die internationale Staatengemeinschaft. Die Regierung strebt dabei einen Beitritt zur Europäischen Union und zur NATO an.

Wohin wird der Weg Serbiens zukünftig führen? Wird die Bevölkerung am ersehnten wirtschaftlichen Aufschwung teilhaben? Denn im Vergleich der Lebenshaltungskosten mit dem durchschnittlichen Monatseinkommen von 450 Euro gehört Belgrad zu den weltweit teuersten Städten, und die große Armut vieler Menschen ist nicht zu übersehen. Auf der Fahrt zu den Wettkampfstätten passiert man ständig slumartige Siedlungen mit Menschen, die umgeben vom Müll in einfachsten Verschlägen am Rande der Gesellschaft  leben.

Zum deutschen Team gehören 176 Mitglieder, davon 114 Sportlerinnen und Sportler. Kurz vor der Schwimm- und Leichtathletik-WM gilt die Universiade insbesondere in diesen Sportarten als Standortbestimmung für Nachwuchshoffnungen wie Spitzenkräfte.

Im Gespräch mit den jungen Studierenden wird deutlich, dass sich die Athletinnen und Athleten bewusst mit den Fragen auseinandersetzen: „Wird meine Leistungskurve in den nächsten Jahren weiter nach oben verlaufen? Welchen Stellenwert hat der Sport neben dem Studium für mein Leben? Wird mir der Durchbruch in die internationale Spitze gelingen? Welche Perspektiven ergeben sich, wenn sich meine Ziele nicht realisieren lassen oder ich meine sportliche Laufbahn wegen einer Verletzung beenden muss?“

Im Gottesdienst, den wir, die beiden Sportpfarrer am Sonntag mit der Mannschaft feierten, ging es um diese Überlegungen: „Wer kennt schon den Weg, der vor ihm liegt? Jede Entscheidung hat Folgen. Ist die eingeschlagene Richtung gut?“ Miteinander haben wir das Lied von Paul Gerhardt gesungen: „Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Zeit, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.“ Und wir haben Gott um eine behütete Universiadezeit gebeten und darum, dass uns viele positive Begegnungen und Erlebnisse nach Hause begleiten

Belgrad, 08. Juli 2009

Thomas Weber