Wittstock: Rund 2.000 Menschen feiern Aus für "Bombodrom"

Wittstock (epd). Mit einem Freudenfest haben am Sonntag rund 2.000 Menschen in Sewekow bei Wittstock das Ende des Luft-Boden-Schießplatzes in der Kyritz-Ruppiner Heide gefeiert. "Die Heide ist frei. Was vor 17 Jahren eine Vision war, ist jetzt Wirklichkeit geworden", sagte der Sprecher der Bürgerinitiative "Freie Heide", Pfarrer Benedikt Schirge, unter großem Jubel. "Es ist die Arbeit von uns allen, die nun gewürdigt wird."

Die Menschen zogen mit Transparenten, Plakaten und kreativen Kostümen durch Sewekow. Auch Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) nahm an dem Marsch teil. Im Verlauf der Wanderung am Ortseingang von Sewekow überklebte er das 200. und damit letzte Protestschild gegen das "Bombodrom" mit einem Aufkleber mit der Aufschrift: "Die Heide ist frei".

"Der längste Protestmarsch Deutschland geht damit zu Ende", sagte Platzeck. Die Protestgruppen hätten geschafft, was keiner für möglich gehalten habe. "Die Menschen hier haben gewusst, Demokratie ist kein Zustand, sondern eine Aufgabe." Er verwies darauf, dass nun der Bestand von 15.000 Arbeitsplätzen in der Region gesichert sei.

Die Kritiker des geplanten Luft-Boden-Schießplatzes bei Wittstock hatten unter anderem steigende Lärmbelästigung und negative Folgen für Tourismus und Naturschutz ins Feld geführt. Vor dreit Tagen hatte Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) das endgültige Aus für das "Bombodrom" bekanntgegeben.

"Diesen Donnerstag werde ich mein Leben lang nicht vergessen", sagte Schirge bei einer "geistlichen Besinnung" in der Dorfkirche von Sewekow. Er habe sogar Glückwünsche aus Angola und Island erhalten.

13. Juli 2009


Bundeswehr verzichtet auf militärische Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide

Aus für "Bombodrom"

Berlin/Wittstock (epd). Die Bundeswehr gibt ihre Pläne für einen Luft-Boden-Schießplatz in Nordbrandenburg auf. Das Bundesverteidigungsministerium verzichte auf die militärische Nutzung des Geländes in der Kyritz-Ruppiner Heide, sagte Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU) in Berlin. Damit geht ein 15 Jahre dauernder Rechtsstreit über das als "Bombodrom" bekannte 142 Quadratkilometer große Areal zu Ende. Politiker von SPD, Grünen, CDU und Linken begrüßten die Entscheidung.

Das Verteidigungsministerium verzichtet laut Jung auf eine Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes (OVG) Berlin-Brandenburg vom März. Als Grund nannte der Minister, dass auch bei einer Revision das Areal in den nächsten Jahren nicht nutzbar sei. Damit ist die OVG-Entscheidung rechtskräftig. Die Richter hatten der Bundeswehr schwere Planungsfehler bescheinigt und die Aufhebung der Betriebserlaubnis für das Militärgelände durch das Verwaltungsgericht Potsdam 2007 bestätigt.

Die Bundeswehr hatte ursprünglich auf dem Gelände in der Kyritz-Ruppiner Heide jährlich bis zu 1.700 Luft-Boden-Kampfübungen mit bis zu 8.500 Tiefflügen geplant. Die Gegner der Militärpläne können damit nach 17-jährigem Protest gegen den früher von der sowjetischen Armee genutzten Truppenübungsplatz Wittstock einen der größten Erfolge von Protestbewegungen in der Bundesrepublik verzeichnen.

SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier bezeichnete den Verzicht der Bundeswehr als "Sieg der Vernunft". "Die Entscheidung war überfällig." Für die Entwicklung der ganzen Region bestehe jetzt eine sichere Perspektive. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, erklärte, eine weitere Revision wäre politisch nicht durchzuhalten und angesichts der langen Unsicherheit für die Bevölkerung und die Luftwaffe nicht verantwortbar gewesen.

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck sprach von einem "Freudentag" für die Bürger im Norden Brandenburgs. Der SPD-Politiker würdigte den jahrelangen friedlichen Protest gegen das "Bombodrom". Brandenburg sei bereit, gemeinsam mit der Bundesregierung die künftige Nutzung des in Bundesbesitz befindlichen Areals konstruktiv zu beraten.

Auf die Nutzung des Übungsplatzes zu verzichten, sei "sachlich richtig und notwendig", erklärte auch der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Bernd Siebert. Die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth, erklärte, der Verzicht auf weitere juristische Mittel hätte schon viel früher erfolgen müssen. Sie begrüßte, dass die Region nicht zum "Übungsbomben-Schrottplatz der Nation" verkomme.

Zustimmung zur Entscheidung des Verteidigungsministers kam auch von den Linken. Demgegenüber kritisierte die FDP-Fraktion im Bundestag die "dilettantische Arbeit des Bundesministeriums". Jung sei dem Parlament eine Erklärung schuldig, "warum das Bundesministerium trotz angeblich überarbeiteter Übungskonzeption für die Luftwaffe bis zuletzt den Übungsplatz als zwingend notwendig bezeichnet hat", so die stellvertretende FDP-Vorsitzende Birgit Homburger.

Jung verwies darauf, dass der Verzicht auf eine Revision keine inhaltliche Anerkennung der Rechtsprechung des OVG sei, sondern ein "Abwägungsprozess", der die nachteiligen Folgen für die Bundeswehr berücksichtige. Das Aus für das Gelände habe höhere Kosten für die Bundeswehr zur Folge. Die Ausbildung von Luftwaffensoldaten werde auf Übungsplätze außerhalb Deutschlands verlegt.

Für die zwei weiteren deutschen Luft-Boden-Schießplätze in Nordhorn und Siegenburg gebe es durch den Verzicht "keine Mehrbelastung", sagte Jung. Was mit dem Gelände in der Kyritz-Ruppiner Heide geschehe, müsse noch geprüft werden.

13. Juli 2009