Wendepunkt Lyon

Reformprozess der Konferenz Europäischer Kirchen kommt in Gang

Von Jan Dirk Herbermann (epd)

Lyon (epd). Es war eine tagelange Zitterpartie, am Ende konnte Martin Schindehütte zufrieden sein. Die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) stimmte dem Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu: Ein Reformprozess für den 50 Jahre alten und oft kritisierten Verband von 126 Kirchen ist überfällig. Auf der KEK-Vollversammlung im französischen Lyon, die an diesem Montag zu Ende geht, sagten 238 Delegierte Ja zu einem gemeinsamen Antrag von EKD, nordischen und baltischen Kirchen. Mit diesem soll ein umfassender Modernisierungsprozess in Gang gesetzt werden. Nur 27 Delegierte wollten von einem Neustart nichts wissen.

"Es ist in der Debatte schnell deutlich geworden, dass es einen Konsens über den tiefgreifenden Reformbedarf in der KEK gibt", betonte Schindehütte. Damit markiert Lyon einen Wendepunkt für die KEK, die in den Zeiten des Kalten Krieges als Forum für die Christen in Ost- und Westeuropa diente.

Vor der Abstimmung hatten sich die EKD und die Evangelisch Lutherische Kirche Finnlands sowie andere nordische und baltische Kirchen auf einen Kompromissvorschlag zur Reform der KEK geeinigt. Somit verhinderten sie eine Kampfabstimmung über zwei konkurrierende Vorschläge der EKD und der Evangelisch Lutherischen Kirche Finnlands.

Nun soll eine Gruppe aus 15 Spezialisten bis Ende 2011 ein Konzept für eine effizientere, schlankere und transparentere KEK ausarbeiten. Eine vorgezogene KEK-Vollversammlung wird im Sommer 2013 über die Vorschläge abstimmen. Die Experten arbeiten mit dem Leitungsgremium der KEK, dem Zentralausschuss, zusammen.

Dem klaren Ja zur Reform war ein langes Hickhack um einzelne Wörter und Paragrafen vorausgegangen. Kleinere Kirchen befürchteten, dass ihre Stimme in der Reformdebatte zu wenig Gehör findet. Die EKD und andere der insgesamt 126 KEK-Mitglieder hatten vor dem Votum wiederholt die Arbeit des Verbandes als schwerfällig und ineffizient bemängelt. Der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Wolfgang Huber, forderte die KEK auf, die Anliegen ihrer Mitglieder stärker in den öffentlichen Dialog in Europa einzubringen. "Einmischung, Präsenz und Partizipation in der Debatte" seien erforderlich, mahnte Huber.

Schindehütte monierte, dass der Dachverband nach dem Ende des Ost-West-Konflikts noch immer einen Platz im neuen Kontinent suche. "Offensichtlich hat sich die KEK in ihrer Aufgabe und Struktur noch nicht hinreichend auf die tiefgreifenden veränderte Lage in Europa eingestellt", betonte Schindehütte. "Unser Anliegen ist es, in der Europäischen Union und in ganz Europa, das Zeugnis der Kirchen in der kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklung wirkungsvoll hörbar zu machen", sagte er. Zugleich müsse der theologische und ethische Diskurs vertieft werden.

Auch Anglikaner wie Christopher Hill von der Kirche von England unterstrichen, dass eine Reform der in die Jahre gekommenen KEK unausweichlich sei: "Das sehen wir alle ein", sagte er. Erzbischof Anastasios von Tirana von der orthodoxen Kirche Albaniens betonte, dass eine schnelle Modernisierung der KEK nötig sei. "Ein Schiff, das dauernd repariert wird, kann nicht fahren." Metropolit Gennadios von Sassima vom Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel stimmte dem zu: "Wir brauchen einen grundlegenden Umbau der KEK - und wir brauchen ihn bald."

20. Juli 2009