Aufbruchstimmung in Genf

Der neue Generalsekretär verspricht frischen Wind für den Weltkirchenrat

Von Jan-Dirk Herbermann (epd)

Genf (epd). Der Weltkirchenrat meldet sich zurück: Nach anderthalb Jahren Verunsicherung, Missmut und Stillstand signalisiert der Dachverband von 350 Kirchen mit rund 560 Millionen Christen, dass mit ihm wieder zu rechnen ist. Und der Neuanfang hat einen Namen: Olav Fykse Tveit. Der Zentralausschuss des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) wählte den 48-jährigen Norweger auf seiner Genfer Sitzung mit großer Mehrheit zum neuen Generalsekretär. Sein Gegenkandidat aus Südkorea blieb ohne Chance. Am Mittwoch ging die achttägige Tagung zu Ende.

Nach der Abstimmung herrschte im sonst eher ruhigen Ökumenischen Zentrum am Rande von Genf spürbare Aufbruchstimmung. "Das ist ein guter Tag für uns", freute sich eine langjährige ÖRK-Mitarbeiterin. Kurz nach seiner Wahl gab Tveit die Richtung vor: "Damit alle eins seien" - dieses Zitat aus dem Johannesevangelium sei die Grundlage aller Arbeit des ÖRK, so der kommende Generalsekretär, der im Januar 2010 sein Amt antritt. Der norwegische Lutheraner steht auch für einen Generationenwechsel, zumal er mit seinen 48 Jahren durchaus auf längere Sicht an der ökumenischen Schaltstelle stehen könnte.

In seinem ersten Auftritt skizzierte Tveit künftige Schwerpunkte seiner Arbeit: Von der Hilfe für verfolgte Christen über einen Dialog mit dem Islam bis hin zum Einsatz für Frieden in der Welt. Mit der Wahl des jugendlich wirkenden Lutheraners verbindet auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) große Hoffnungen. "Wir sind sehr froh, dass Olav Fykse Tveit neuer Generalsekretär des Weltkirchenrates wird", sagte EKD-Auslandsbischof Martin Schindehütte. Der Skandinavier habe alle charakterlichen Eigenschaften, um dem ÖRK neue Impulse zu geben.

Auch Christen aus dem Süden wie Owdenburg Mdegella, Bischof der Evangelischen Lutherischen Kirche in Tansania, lobten Tveit: "Er wird sich für die Einheit der Kirchen und vor allem die Einheit des Weltkirchenrates einsetzen."

Der Zusammenhalt des ÖRK schien seit Februar 2008 gefährdet zu sein. Einige Mitarbeiter fürchteten sogar eine "Zerreißprobe". Begonnen hatte alles mit Kritik an der Arbeit des noch amtierenden Generalsekretärs Samuel Kobia. Kirchen aus dem Norden, auch die EKD, gaben ihm für seine Amtsführung schlechte Noten: zu viele Reisen, zu wenig Kontrolle der vielen Programme.

Als wäre das nicht genug, musste Kobia einräumen, dass er jahrelang einen Doktortitel einer äußerst dubiosen Briefkasten-Uni geführt hatte. Der angeschlagene Kobia verzichtete darauf, sich zur Wiederwahl zu stellen. Südliche Kirchen aber witterten einen Komplott der Kirchen des Nordens. Kobia, der erste Afrikaner an der Spitze des Weltkirchenrates, sei abserviert worden, hieß es. Immerhin konnte der Kenianer Kobia durchsetzen, dass er bis Dezember 2009 im Amt bleibt.

Mit Tveit gewinnt der Weltkirchenrat wieder eine Zukunftsperspektive. So will der Lutheraner aus Norwegen den Dialog mit den stetig wachsenden Pfingstkirchen suchen. Eine sehr gute Gelegenheit bietet die zehnte Vollversammlung des ÖRK im Jahr 2013 im südkoreanischen Busan.

Die Veranstalter, die Kirchen Südkoreas, wollen möglichst viele Vertreter der Pfingstkirchen in der pulsierenden Hafenmetropole begrüßen. Douglas Chial, verantwortlicher Mitarbeiter beim ÖRK für die Organisation der Vollversammlung, sagte: "Schon in der Vergangenheit erlebten wir eine verstärkte Teilnahme evangelikaler und Pfingstkirchen bei Vollversammlungen." Die kommende Vollversammlung biete viele neue Möglichkeiten.

Ein anderes brennendes Problem wird aber auch der neue ÖRK-Leiter so schnell nicht lösen können: Die angespannte Finanzlage des Kirchenbundes. Immerhin bringt Tveit neue Ideen in die Diskussion. Der Norweger sagte, Regierungen und Stiftungen könnten als Geld-Geber für den ÖRK in Frage kommen. Allerdings: Der Weltkirchenrat müsse strikt auf seine Unabhängigkeit bestehen.

02. September 2009