Zukunftswerkstatt: Programmatik und Vermächtnis

Auf der EKD-Zukunftswerkstatt wirbt Bischof Huber für Fortführung der kirchlichen Reformen

Von Rainer Clos (epd)

Kassel (epd). Im Nordosten Hessens berieten die evangelische und die katholische Kirche über Zukunftsperspektiven. Die katholischen Bischöfe trafen sich in dieser Woche in Fulda zu ihrer traditionellen Herbst-Vollversammlung, bei der es um Kirchenaustritte und die künftige Ausrichtung des weltkirchlichen Engagements ging. Einen weiteren Horizont nahm die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) in den Blick. In Kassel blickt sie noch bis Samstag bei einer dreitägigen Zukunftswerkstatt auf die bisherigen Früchte ihres Reformprozesses. Auf dem Weg zum Reformationsjubiläum 2017 - 500 Jahre nach dem Thesenanschlag Martin Luthers - geht es vor allem darum, wie die Qualität von Gottesdienst und Predigt verbessert werden kann, was an neuartigen Andachtsformen und Gemeindeinitiativen entsteht.

In seiner Grundsatzrede, die eine Mischung aus Programmatik und Vermächtnis war, steckte der scheidende EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber fast genau drei Jahre nach dem Reformruck abermals die großen Linien ab. Er nannte die geistigen und spirituellen Schwachstellen der evangelische Kirchen beim Namen. Struktur- und Organisationsreformen sollen die Kirche so zukunftsfähig machen, dass sie ihrem Auftrag weiter nachkommen kann. "Christsein und Kirchenzugehörigkeit verstehen sich nicht mehr von selbst", benannte der Ratsvorsitzende den Handlungsbedarf. Deutschland sei wieder Missionsgebiet. Die EKD und die katholische Kirche in Deutschland stehen dabei vor ähnlichen Herausforderungen. Denn Erzbischof Robert Zollitsch ergänzte in einem Grußwort: "Auch wir wollen missionarisch sein."

Den 1.200 Teilnehmern der Reformwerkstatt schärfte Huber ein, dass sich die Kirche sich aus "mentaler Gefangenschaft" befreien müsse. Die Milieuverengung müsse aufgegeben, die geistige Furchtsamkeit überwunden und das Hamsterrad von besinnungslosem Aktivismus verlassen werden. Es gehe um eine einladende Kirche, die sich nicht abschottet, sondern neugierig macht und sich als Mahnerin zu Fragen der Zeit einmischt. "Die Angst, für fromm gehalten zu werden, ist groß", diagnostizierte er die Neigung zur Selbstsäkularisierung im deutschen Protestantismus.

Das Verdienst von Hubers Reformanstoß wird sich nicht in erster Linie in wachsenden Mitgliederzahlen oder mehr Taufen zeigen. Vielmehr schaffte er einen Bezugsrahmen für Kirchengemeinden und Landeskirchen, die schon seit langem Umbauprozesse eingeleitet haben. Neue Pflöcke wurden von der EKD eingeschlagen: In Kooperation mit den Landeskirchen wurden drei Zentren errichtet, für Predigtkultur in Wittenberg, für Qualitätsentwicklung in Hildesheim sowie ein Zentrum für Mission in der Region mit Sitz in Dortmund, Stuttgart und Greifswald.

Der Erfahrungsaustausch über regionale und landeskirchliche Grenzen hinweg hat inzwischen eine Eigendynamik. Die in Kassel präsentierten Initiativen und Projekte sind für Huber ein Signal dafür, dass der Reformprozess in den Gemeinden angekommen ist. Damit wird das Feuer, das mit dem Reformpapier "Kirche der Freiheit" vor drei Jahren entfacht wurde, auch dann nicht unbedingt zu einem Strohfeuer, wenn eine im Oktober neu gewählte EKD-Spitze womöglich das Reformthema auf kleinere Flamme schiebt oder einige Akzente anders setzt.

Kein Thema mehr war auf der Zukunftswerkstatt, die auch Gelegenheit zu bischöflichem Schaulaufen vor der Ratswahl bot, die Neugliederung des zersplitterten Protestantismus. Hier ist auch ohne Zutun der EKD einiges im Fluss. In Mitteldeutschland fusionierten zu Jahresanfang zwei evangelische Landeskirchen. Und 2012 soll die vereinte Nordkirche die bisherigen Landeskirchen von Mecklenburg, Nordelbien und Pommern ablösen. Auch auf der Ebene der landeskirchlichen Kooperationen, Hessen ist dafür ein Beispiel, ist manches in Bewegung. Die mit rund 50.000 Mitgliedern kleinste unter den 22 Landeskirchen will aber weiter selbstständig bleiben, versicherte der Kirchenpräsident von Anhalt, Joachim Liebig.

25. September 2009

EKD-Zukunftswerkstatt in Kassel

Die Rede des EKD-Ratsvorsitzenden