Bundespräsident: Kirchen müssen auf Fragen der Menschen hören

Kassel (epd). Bundespräsident Horst Köhler hat die Kirchen ermuntert, auf die Fragen der Menschen zu hören. "Dann sind die Kirchen auch für die attraktiv, die ihnen fernstehen oder die noch auf der Suche sind", sagte Köhler zum Abschluss einer dreitägigen Zukunftswerkstatt der evangelischen Kirche am Samstag in Kassel. In der vielstimmigen Gegenwart werde die kirchliche Stimme dann gehört, wenn sie die christliche Botschaft von der Hoffnung in die heutige Zeit übersetze. Als Beispiel nannte Köhler das Gebot der Nächstenliebe. Denn das Streben nach immer mehr materiellem Gewinn sei gerade an Grenzen gestoßen.

In der Unterscheidung zwischen letzten und vorletzten Fragen liege die zentrale christliche Botschaft, fügte das Staatsoberhaupt laut Redemanuskript hinzu. Wenn nach dem Sinn des Lebens gefragt wird, müsse immer wieder um Antworten gerungen werden. Zum Kern der kirchlichen Botschaft gehöre die Zusage, dass die Menschen in Ängsten und Nöten nicht allein seien.

Der Bundespräsident ermutigte die evangelische Kirche darin, sich mit neuen Wegen und neuen Ideen Veränderungen zu stellen. Bei Beratungen über gute Gottesdienste und eine gute innere Ordnung werde die "Kirche der Zukunft" ihren Auftrag, sich den Menschen zuzuwenden, für den Erhalt der Schöpfung einzutreten und den Schwachen zu helfen, nicht aus dem Blick verlieren, äußerte sich Köhler überzeugt.

Von dem Reformationsjubiläum 2017, mit dem die evangelische Kirche an Martin Luthers (1483-1546) Thesenanschlag vor 500 Jahren erinnert, erwarte er sich einen neuen Schub für die Ökumene, sagte Köhler. Dieses Datum sei auch ein Impuls für die Kirche, sich immer wieder zu reformieren, wo es notwendig sei. Bei der Zukunftswerkstatt der Evangelischen Kirche in Deutschland hatten 1.200 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter aus den 22 Landeskirchen nach Wegen gesucht, mit den kirchlichen Angeboten wieder mehr Menschen zu erreichen und den anhaltenden Mitgliederschwund zu stoppen.

26. September 2009


Köhler: Kirche hat den Menschen etwas zu sagen

Nächstenliebe "aktueller denn je"

Abschluss der EKD-Zukunftswerkstatt in Kassel - (Zusammenfassung)

Kassel (epd). Bundespräsident Horst Köhler hat die Kirchen ermuntert, in gesellschaftlichen Fragen Stellung zu beziehen. Zugleich dürften sie nicht das Heil des einzelnen Menschen aus dem Blick verlieren, sagte Köhler am Samstag zum Abschluss eines evangelischen Kirchen-Kongresses in Kassel. Zuvor hatte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, davor gewarnt, sich dem Zeitgeist anzupassen. "Christen stehen für etwas ein im wechselnden Strom der Zeitgeister", sagte er.

Köhler sagte vor rund 1.000 Zuhörern am Kasseler Hauptbahnhof, es sei unverzichtbar, dass evangelische wie katholische Kirche aus ihrer Glaubensgewissheit heraus Fragen stellen und Antworten suchen, unter anderem zur Wirtschaftskrise, zur Arbeitslosigkeit und zum Klimawandel. "Unsere Gesellschaft ist angewiesen auf das besondere Profil christlicher Weltdeutung", sagte er.

Im "vielstimmigen Chor der Gegenwart" hätten die Kirchen eine besondere Chance, gehört zu werden, wenn sie eine von Hoffnung geprägte Botschaft in die Gegenwart übersetzen. Kirche sei Teil des Lebens: "Sie gehört mit ihren Themen auf die Straßen und Plätze, und sie hat den Menschen etwas zu sagen." Köhler sagte, die Botschaft der Nächstenliebe sei "aktueller denn je". Das Streben nach immer höherem materiellen Gewinn sei gerade an Grenzen gestoßen.

Bei der EKD-Zukunftswerkstatt in Kassel hatten 1.200 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter aus den 22 Landeskirchen seit Donnerstag nach Wegen gesucht, mit den kirchlichen Angeboten wieder mehr Menschen zu erreichen und den anhaltenden Mitgliederschwund zu stoppen. Zugleich wurde eine Zwischenbilanz des vor drei Jahren von der EKD-Spitze unter dem Titel "Kirche der Freiheit" eingeleiteten Reformprozesses gezogen.

Wesentlich vorangetrieben wurden die Veränderungen von Bischof Huber, der Ende Oktober mit 67 Jahren als EKD-Ratsvorsitzender ausscheidet und kurz darauf auch das Bischofsamt in Berlin abgibt. "Wir sind im Aufbruch", sagte er zum Abschluss der Zukunftswerkstatt. Die evangelische Kirche sei der Zeit zugewandt und bleibe doch frei und unabhängig von ihr, denn sie sei seit Jahrhunderten mit Gottes Verheißung verbunden.

Zum Auftakt eines Stationenweges mit Lesungen, künstlerischen Darbietungen und Installationen an sechs Orten in Kassel hatte der Hamburger Theologe Fulbert Steffensky am Samstagmorgen die Schönheit des Protestantismus gelobt. Dazu gehörten unter anderem die Musik und die Lieder. "Ich kann im Gottesdienst eher auf die Predigt verzichten als auf die Lieder", sagte er.

Zugleich würdigte er die Verschiedenheit im kirchlichen Leben. "Es gibt keinen genormten Protestantismus", sagte Steffensky. Gottesdienste im lutherischen Hamburg unterschieden sich von denen der Reformierten in Emden. Es gebe den heißen schwäbischen Pietismus und die norddeutsche Kühle. Viele wünschten sich eine Theologie, eine Kirchenverfassung und einheitliche Gottesdienste zwischen Flensburg und München. Aber Einförmigkeit sei nie ein Ideal.

26. September 2009