Käßmann fordert Achtung für religiöse Gefühle

Hannover (epd). Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, fordert mehr Achtung vor religiösen Gefühlen. Diese sollten nicht aus purer Lust an Provokation verletzt werden, sagte sie am Donnerstagabend bei der Aufzeichnung der evangelischen Fernseh-Talkshow "Tacheles" in der hannoverschen Marktkirche zum Thema "Religion und Meinungsfreiheit". Gleichwohl müsse sich die Religion der Kritik einer Gesellschaft stellen.

Sie erlebe, dass in der deutschen Öffentlichkeit oft mehr Rücksicht auf andere Religionen genommen werde als auf das Christentum, sagte Käßmann. Die hannoversche Landesbischöfin forderte auch von islamischen Ländern mehr Respekt vor den Christen. Ebenso wie Muslime in Deutschland Achtung verlangen könnten, müsse das auch für andere Religionen in den muslimischen Ländern gelten. "Ich möchte dann auch ohne Kopftuch in diese Länder reisen können", so die EKD-Ratsvorsitzende.

Freiheiten ließen sich nicht gegeneinander aufrechnen, entgegnete der Vorsitzende des Islamrats in Deutschland, Ali Kizilkaya. In Ländern wie Saudi-Arabien gebe es ein anderes System, dass nicht mit dem deutschen vergleichbar sei. Er sei Muslim und Deutscher: "Für mich gilt das Grundgesetz." Auch Freiheit brauche Grenzen, sagte Kizilkaya. Er sieht die Schmerzgrenze des Erlaubten mit den dänischen Mohammed-Karikaturen überschritten, die die Zeitung "Jyllands-Posten" vor vier Jahren veröffentlichte. Wenn der islamische Prophet als Terrorist dargestellt werde, sei dies eine Beleidigung.

Die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth, kritisierte den Nachdruck der Karikaturen in drei deutschen Zeitungen. Pressefreiheit sei ein hohes Gut. "Aber ich glaube nicht, dass deswegen alles gedruckt werden muss." In einer Zeit, in der George W. Bush von den "bösen Muslimen" gesprochen habe und "Menschen muslimischen Glaubens tendenziell unter Generalverdacht standen", sei die Veröffentlichung besonders problematisch gewesen.

Die frühere Chefredakteurin der "tageszeitung" in Berlin, Bascha Mika, verteidigte den Entschluss ihrer Zeitung, die Karikaturen zu bringen. "Die Reaktionen machten es nötig, zu zeigen, worum es in dem Streit eigentlich geht." Weltweit war es zu Protesten gegen die Karikaturen gekommen, mehr als 100 Menschen waren dabei umgekommen. "Man verletzt nicht den Respekt, wenn man ein öffentliches Thema kontrovers diskutiert", sagte Mika.

Die einstündige Diskussion über Religion und Meinungsfreiheit ist am 29. November um 13 Uhr und um 22.30 Uhr auf "Phoenix" zu sehen. Die neue Staffel der Talkshow "Tacheles" will vor allem das Gespräch mit dem Islam im Mittelpunkt rücken. Bis Anfang 2011 sind dazu acht weitere Folgen aus der Marktkirche in Hannover geplant.

20. November 2009

Talkshow „Tacheles“