"Beten kann man immer"

Zwei von drei Jugendlichen gehören einer Kirche an

Von Jan Thomas Otte (epd)

Stuttgart (epd). Zwei von drei Jugendlichen in Deutschland gehören einer Kirche an. Viele halten ihren Glauben aber lieber im Herzen, statt sonntags in den Gottesdienst zu gehen. Über Religion spreche man nicht, sagen viele. "Lebe so, dass du nach deinem Glauben gefragt wirst", meinen andere. Jugendliche einer Hauptschule im badischen Schefflenz bei Mosbach fassen ihren Glauben in drei Begriffen zusammen: Freude, Sicherheit und Mut. Viele suchen in der Kirche nach Geborgenheit.

"Beten kann man ja immer", sagt Carina Feil. Sie weiß ganz sicher, dass Gott bei ihr ist. Der Glaube hilft der 14-Jährigen, "Gott einen großen Schritt näherzukommen". Till Utner dagegen zögert. Natürlich gingen viele seiner Freunde in den Konfirmanden-Unterricht, "weil es die Eltern so wollen, die Oma es sich wünscht", sagt er. Christliche Feste mit Geschenken, das erste Mofa, Geld für den Führerschein, das sei aber nicht alles.

Der "Religionsmonitor", eine Untersuchung der Bertelsmann Stiftung, teilt die Jugendlichen in Deutschland in fünf Gruppen ein: evangelisch 35 Prozent, katholisch 30 Prozent, konfessionslos 25 Prozent, freikirchlich und muslimisch je fünf Prozent. In den Antworten der 12- bis 25-jährigen Befragten wird deutlich: Trotz Kirchenmitgliedschaft kommen sonntags um zehn kaum junge Besucher in den Gottesdienst. Die einen wollen lange schlafen. Andere sind am Wochenende häufig unterwegs. Und manche haben keine gläubigen Eltern.

Überrascht ist Dietmar Heydenreich, Pfarrer und Bezirks-Jugendreferent der evangelischen Landeskirche in Baden, von einer anderen Auskunft junger Menschen: "Das große Glück, ganz viel Spaß haben", sagen ihm viele Schüler auf die Frage, warum sie die christliche Gemeinschaft suchen. Der Glaube sei demnach allen Vorurteilen zum Trotz kein Spaß-Verderber. Fromme Jugendliche treffen sich auch während der Pausen zum Beten. Nach Angaben der Studentenmission in Deutschland gibt es an mehr als 800 Schulen Gebetskreise.

Mittwochs geht Till Utner in den Konfirmanden-Unterricht, lernt mit anderen über Gott, was längst nicht mehr jeder Jugendliche auswendig weiß: Psalm 23 ("Der gute Hirte"), Glaubensbekenntnis und Vaterunser-Gebet. Ohnehin vertreten nicht alle jungen Leute die strenge christliche Lehre. Ein Drittel glaubt nach Angaben der 15. Shell Jugend-Studie an Engel und gute Geister. Ein weiteres Drittel glaubt, dass Schicksal und Vorbestimmung ihr Leben beeinflusse. Ebenso viele glauben an einen persönlichen Gott.

Doch nicht nur christliche Jugendliche suchen neue Wege, den alten Glauben zu leben. "Ich bin gläubig. Aber nicht im traditionellen Sinne", sagt auch die Muslimin Tijen Onaran. Ihre Eltern kommen aus der Türkei, leben in Karlsruhe. Sie selbst faste nicht, gehe kaum in die Moschee. Trotzdem füllt die Politik-Studentin an der Universität Heidelberg ihren Glauben mit Leben: "Für mich selbst, nicht mit anderen zusammen", sagt die 24-Jährige. Viele Menschen suchten im Glauben Antworten, die sie sich selbst nicht geben können. Auf sie treffe das nicht zu. Die Muslimin sucht im Glauben nicht die geniale Antwort, sondern Anregungen für ein gelingendes Leben.

14. Dezember 2009