Lärm und Lebkuchen sollen Nachtgespenster vertreiben

Nach Weihnachten beginnen die zwölf "Raunächte"

Von Christian Feldmann (epd)

Frankfurt a.M. (epd). "Raunächte" heißen vielerorts die Nächte zwischen Weihnachten und Dreikönig - nach dem alten Brauch, Haus und Stall in diesen Nächten auszuräuchern. Und der Begriff erinnert auch den rauen, struppigen Pelz der Unholde, die zu dieser Zeit dem Volksglauben zufolge die Lüfte unsicher machten. Pelze und Felle heißen heute oft noch "Rauchwaren", und das Grimm'sche Märchen "Allerleihrauh" von einem in Pelzreste gekleideten Mädchen hat ähnliche sprachliche Wurzeln.

Die "wilde Jagd", das durch die Lüfte fahrende Geistervolk, die umgehenden Toten und die gespenstischen Irrlichter stehen im Zentrum der alten Raunacht-Traditionen, die bis auf die Germanen und die griechisch-römische Antike zurückgehen. Frau Holle ist als verharmloster Überrest der "Schicksalsfrauen" in unsere Märchen eingegangen. Sie schickt den schützenden Schnee für Wald und Flur, aber auch verheerende Lawinen und Winterstürme.

Die Menschen suchten sich gegen das unheimliche Nachtvolk auf vielerlei Weise zu schützen. Sie inszenierten lärmende Umzüge im Fackelschein und mit fratzenhaften Masken. Das laute Rumoren sollte die Geister vertreiben, ebenso wie Böllerschüsse und Feuerwerk zur Jahreswende. Und man hoffte wohl, dass sich sogar die Dämonen vor den wilden Sprüngen schreiender Horden mit russgeschwärzten Gesichtern fürchteten. Die Perchtenumzüge, die in Bayern auch in den Städten wieder in Mode kommen, oder die norddeutschen "Rummelpottläufer" lassen davon noch etwas ahnen.

Manche versprachen sich mehr davon, die "Schicksalsfrauen" und Nachtgespenster durch leckere Speisen milde zu stimmen. Sie stellten ihnen - vorwiegend in der Christnacht - Gebäck, Nüsse und Früchte vor die Tür, Milch, Wasser - und die nach speziellem Rezept für die Geisterwelt gebackenen Lebkuchen. Waren die Gaben am nächsten Morgen verzehrt, so durfte man auf gute Ernte und gesundes Vieh hoffen.

Aber warum konzentrierte sich dieser in die christliche Ära hinüber gerettete Aberglaube auf die Zeit am Jahresende zwischen dem 25. Dezember und dem 6. Januar? - Diese zwölf Tage und Nächte überbrückten als eine nie ganz in die Koordinaten des gängigen Kalenders einzuordnende und deshalb auch nicht ganz geheure Zwischenzeit den Unterschied zwischen Sonnen- und Mondjahr. Bisweilen wurden sie gar als dreizehnter Monat gezählt - einer der Gründe, warum die Dreizehn zur gefürchteten Unglückszahl wurde.

27. Dezember 2009