Kirchenvertreter gründen bundesweites Demokratie-Netzwerk

Dresden (epd). Unter dem Namen "Kirche für Demokratie - gegen Rechtsextremismus" wollen Vertreter der evangelischen Kirche am Freitag eine Bundesarbeitsgemeinschaft in Dresden gründen. Das Projekt soll die Notwendigkeit kirchlichen Engagements gegen Rechtsextremismus und für Demokratie in Ost- und Westdeutschland betonen, teilte die "Aktion Sühnezeichen Friedensdienste" als Mitinitiator am Donnerstag in Berlin mit. Zu den Gründern gehören außerdem das Kulturbüro Sachsen und der Verein "Miteinander" in Sachsen-Anhalt.

Die Kirche müsse bei der Auseinandersetzung stärker als bisher präsent sein, hieß es weiter. Denn "menschenverachtende, rassistische, antisemitische und demokratiefeindliche Einstellungen" seien mit dem christlichen Glauben unvereinbar, betonten die Erstunterzeichner des Aufrufs zur Gründung.

Dazu gehören unter anderen der sächsische Landesbischof Jochen Bohl, die Frankfurter Pröpstin Gabriele Scherle und der Hamburger Synodalpräsident Hans-Peter Strenge. Zur Gründungsveranstaltung ist am Freitag eine vierstündige Tagung mit Vorträgen und Diskussionen zum Thema Rechtsextremismus geplant. Landesbischof Bohl und die Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) sollen ein Grußwort sprechen.

Landeskirchen, regionale Bündnisse und gesellschaftliche Gruppen sollen in der Arbeitsgemeinschaft "Erfahrungen austauschen, lernen, sich gegenseitig unterstützen", sagte Heike Kleffner von der Aktion Sühnezeichen. Die Gründung sei auch eine Reaktion auf zunehmende Angriffe Rechtsextremer auf Kirchen und deren Mitarbeiter, so Kleffner weiter.

Zudem will die Bundesarbeitsgemeinschaft politische Signale bei der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus senden. So kritisiert sie den im Koalitionsvertrag der Bundesregierung festgeschriebenen Plan, Programme gegen Rechts auf alle Formen extremistischer Gewalt auszuweiten. Eine Gleichsetzung mit Linksextremismus oder Islamismus verharmlose das Problem, heißt es in einer ersten Erklärung.

"Kirche für Demokratie - gegen Rechtsextremismus" gehört außerdem zu den Organisatoren eines für Samstag geplanten Friedensgebetes und einer Menschenkette in der Dresdner Innenstadt. Am Jahrestag der Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg droht dort erneut ein Aufmarsch Tausender Neonazis.

11. Februar 2010


Kirche im Visier

Mit einem neuen Netzwerk gegen Rechtsextremismus will die evangelische Kirche Zeichen auch nach innen setzen

Von Corinna Buschow (epd)

Dresden (epd). "Odin statt Jesus" haben sie auf eine Kirche in Limbach-Oberfrohna gesprüht. "Juden raus aus dem Gemeinderat" steht meterbreit auf der Kirche in Dorfhain. Hakenkreuze verschandeln nach einem Einbruch die Innenwände eines Gemeindehauses in Mittweida. Und in Zschopau bereitet ein NPD-Mitglied in der Gemeinde dem Pfarrer schlaflose Nächte. Die Orte liegen in Sachsen, wo sich Angriffe von Rechtsextremen auf Kirchen inzwischen häufen.

Auch deshalb will sich am Freitag die Bundesarbeitsgemeinschaft "Kirche für Demokratie - gegen Rechtsextremismus" eben in Dresden gründen. Initiatoren sind die "Aktion Sühnezeichen Friedensdienste", das Kulturbüro Sachsen und der Verein "Miteinander" in Sachsen-Anhalt. Erstunterzeichner des Gründungsaufrufs sind eine Vielzahl evangelischer Kirchenvertreter, unter anderen Sachsens Landesbischof Jochen Bohl und der Hamburger Synodalpräsident Hans-Peter Strenge sowie Politiker demokratischer Parteien.

"Viele Kirchen finden sich inzwischen selbst im Visier der Rechtsextremen wieder", erklärt Heike Kleffner von der Aktion Sühnezeichen. Dazu gehörten auch Angriffe auf Mitglieder sogenannter Jungen Gemeinden, "die sich gegen Neonazis engagieren oder sich explizit als nicht-rechts begreifen". Denn die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus hat in deutschen Kirchen eine lange Tradition, so Kleffner. Daran wolle die Arbeitsgemeinschaft anknüpfen.

Landeskirchen, regionale Bündnisse und gesellschaftliche Gruppen sollen darin "Erfahrungen austauschen, lernen, sich gegenseitig unterstützen", beschreibt sie das Anliegen des Projekts. Zudem sollen politische Signale gesendet werden. Als erstes kritisierte die in Gründung befindliche Bundesarbeitsgemeinschaft bereits den im Koalitionsvertrag der Bundesregierung festgeschriebenen Plan, Programme gegen Rechts auf alle Formen extremistischer Gewalt auszuweiten. Eine Gleichsetzung mit Linksextremismus oder Islamismus verharmlose das Problem, heißt es in einer Erklärung.

Der Leiter der Evangelischen Erwachsenenbildung in Sachsen, Karl-Heinz Maischner, kann das nur begrüßen. "Kirche äußert sich zu wenig politisch", kritisiert der Pfarrer, der im vergangenen Jahr ein Aktionsjahr seiner Landeskirche gegen Rechtsextremismus mitorganisiert hat. Rechtsextremismus sei ein schwieriges Thema für die Kirche. "Es wird umgangen, weggedrückt." Inzwischen seien viele Gemeinden aber wach geworden.

Maischner glaubt auch, eine "Affinität" von konservativen Christen zu rechtsextremen Themen festgestellt zu haben. Maischners Kollege aus Zschopau teilt diese Einschätzung. Eine "unterschwellige Fremdenfeindlichkeit" lasse sich einfach nicht wegreden, sagt Johannes Roscher. Sein wesentliches Problem zurzeit ist ein Gemeindemitglied, das für die NPD im Stadtrat und im Kreistag sitzt. Roscher stellte ihm im vergangenen Jahr keinen Kirchgeldbescheid zu. "Ich will von dem eigentlich kein Geld", sagt der Pfarrer und langjährige Arbeitslosenbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland. Ein Gespräch mit ihm habe aber noch nicht stattgefunden, räumt er ein. Wenn es soweit ist, will er ihn vor die Wahl stellen: Kirche oder NPD.

"Rechtsextreme Einstellungen sind mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbar", heißt es im Gründungsaufruf des Netzwerkes. Zur Gründungsveranstaltung am Freitag haben sich über 80 Teilnehmer angemeldet, etwa die Hälfte kommt aus den alten Bundesländern. "Wir haben hier genauso ein Problem damit wie im Osten", betont die Frankfurter Pröpstin Gabriele Scherle, die auch den Aufruf unterschrieben hat.

Als langjährige Mitstreiterin in der Aktion Sühnezeichen sei die Unterstützung der Arbeitsgemeinschaft für sie eine Selbstverständlichkeit. Seit dem Aufruf hat Scherle viele Mails und Briefe bekommen. Fast alle kritisierten ihr Engagement, erzählt sie. "Die Kirche ist vielmehr auf dem linken Auge blind", hieß es darin zum Beispiel. Auch Islamfeindlichkeit sei zum Ausdruck gekommen. Gegen diese "Angst vor dem Fremden", wie sie es nennt, gebe es noch viel zu tun - auch in der Kirche.

11. Februar 2010