300 Jahre Cansteinsche Bibelanstalt werden gefeiert

Halle/Dortmund/Berlin (epd). An drei Orten in Deutschland wird ab dem kommenden Wochenende an die Gründung der Cansteinschen Bibelanstalt vor 300 Jahren erinnert. Das auf Carl Hildebrand Freiherr von Canstein (1667-1719) zurückgehende Unternehmen ermöglichte ab Anfang des 18. Jahrhunderts die Produktion von handlichen und günstigen Bibeln, die sich auch untere Bevölkerungsschichten leisten konnten.

Am Gründungsort in Halle soll dazu am 4. März die Ausstellung "Bibeldruck in Halle" eröffnet werden, in der auch erste Exemplare der im sogenannten Stehenden Satz gedruckten Bücher gezeigt werden, teilte das "Canstein Bibelzentrum" am Mittwoch in der Saalestadt mit.

Dort veröffentlichte von Canstein in Zusammenarbeit mit dem Gründer der Franckeschen Stiftungen, August Hermann Francke (1663-1727), am 1. März 1710 einen "ohnmaßgeblichen Vorschlag" dazu, "wie Gottes Wort den Armen zur Erbauung um einen geringen Preiss in die Hände zu bringen" sei. Der Sitz der Bibelanstalt blieb bis zu ihrem finanziellen Ruin im Zweiten Weltkrieg in Halle.

In Westfalen, dem Heimatland des Adelsgeschlechts von Canstein, erinnert am Sonntag die nach dem Zweiten Weltkrieg dort neu gegründete Cansteinsche Bibelanstalt mit einem Festgottesdienst an die Anfänge vor 300 Jahren. Die Predigt in der Dortmunder Kirche St. Reinoldi hält der westfälische Präses Alfred Buß.

Die "Preußische Haupt-Bibelgesellschaft" in Berlin war seit Gründung der Bibelanstalt eng verbunden mit dem Bibelwerk in Halle. Von Canstein warb maßgeblich am preußischen Hof das Geld für die Druckerei ein. Die Berliner Dependance, die im Laufe des 20. Jahrhunderts in "Evangelische Haupt-Bibelgesellschaft" umbenannt wurde, ging im Jahr 2005 in Insolvenz. Im "Haus der Kirche" erinnert heute ein neu gegründeter Verein nach eigenen Angaben an die Geschichte der Bibelanstalt.

Für Westdeutschland wurde 1951 in Bielefeld-Bethel die "von Cansteinsche" Bibelanstalt neu gegründet, ihr Sitz war zunächst in Witten. Seit 2000 ist die "Cansteinsche Bibelanstalt in Westfalen" beim "Amt für missionarische Dienste" der Evangelischen Kirche von Westfalen in Dortmund angesiedelt.

24. Februar 2010


Bibel für jedermann

Vor 300 Jahren begann Carl Hildebrand Freiherr von Canstein, preiswerte Bibeln unters Volk zu bringen

Von Corinna Buschow (epd)

Halle/Stuttgart/Wuppertal (epd). Irgendwann muss dem Prinzen von Anhalt-Zerbst, Anton Günther, seine Bibel zur Last geworden sein. Ganze 9,5 Kilogramm wog das Buch, das der fromme Prinz auch auf seine Feldzüge mitschleppte - ein damals durchaus übliches Gewicht. Im Jahr 1710 trennte er sich von dem in Leder gebundenen Kunstwerk alten Druckerhandwerks und schenkte es den Franckeschen Stiftungen in Halle an der Saale für das Archiv. Denn in den Stiftungen wurden seit neuestem leichte und preiswerte Bibeln gedruckt.

Idee und Verwirklichung dieser neuen Bibel-Massenproduktion gingen auf Carl Hildebrandt Freiherr von Canstein (1667-1719) zurück, in dessen Tradition sich noch heute Bibelwerke und Bibelzentren in Deutschland verstehen. Im Blick hatte von Canstein dabei weniger adlige Reisende, sondern die normale Bevölkerung, für die auch gut 250 Jahre nach Johannes Gutenbergs revolutionärer Buchdruckerfindung eine Bibel immer noch unerschwinglich war.

In Zusammenarbeit mit dem Gründer der Franckeschen Stiftungen, August Hermann Francke (1663-1727), der in Halle eine Schulstadt mit Waisenhaus aufgebaut hatte, veröffentlichte von Canstein am 1. März 1710 einen "ohnmaßgeblichen Vorschlag" dazu, "wie Gottes Wort den Armen zur Erbauung um einen geringen Preiss in die Hände zu bringen" sei.

Zur Verwirklichung nutzte er das aus Holland stammende Druckverfahren im "Stehenden Satz". Anders als mit Gutenbergs beweglichen Lettern wurden in dem Verfahren vor dem Druck alle Seiten des Buches auf Platten gesetzt. In der Anschaffung war diese Technik zwar teurer. Langfristig konnten aber die hohen Kosten für die Setzer gespart und die Bibeln günstiger produziert werden.

Im Jahr 1712 war schließlich das Neue Testament für zwei Silbergroschen erhältlich. Das umfangreichere Alte Testament und damit die gesamte Bibel erschienen fünf Jahre später, im Jahr 1717, in der Cansteinschen Bibelanstalt in Halle. Was dort vor 300 Jahren begann, ist heute noch Auftrag der Bibelwerke in Deutschland.

Neben der Deutschen Bibelgesellschaft in Stuttgart als Hauptverlag für Bibeln in verschiedenen Übersetzungen und Ausführungen wollen sie Bibelwissen in gläubiger und atheistischer Umwelt vermitteln. "Noch immer geben wir auch Bibeln an Menschen und Institutionen, die es sich nicht leisten können", sagt der Geschäftsführer des Evangelischen Bibelwerkes im Rheinland mit Sitz in Wuppertal, Christoph Melchior. Dazu gehörten Justizvollzugsanstalten, Krankenhäuser und Schulen. In Deutschland lebende Ausländer können vom Bibelwerk Übersetzungen in ihrer Sprache bekommen.

In Halle ist dagegen die Beschaffung des "Buches der Bücher" in den Hintergrund getreten. "Wir müssen die Bibel vielmehr wieder in die Köpfe kriegen", sagt der Leiter des "Canstein Bibelzentrums Halle", Walter Martin Rehahn. Gerade im Osten Deutschlands gebe es eine "verlorene Schicht", die mit der Bibel nie in Berührung gekommen sei.

Aber auch in der alten Bundesrepublik registriert sein Kollege Melchior zunehmendes Unwissen. "Vor zehn Jahren konnte ich in Konfirmandengruppen 'Mose' sagen und sofort kamen die zehn Gebote oder der Auszug aus Ägypten", sagt er. Heute müsse er das in Schulen und Jugendgruppen, aber sogar auch in Konfirmandenkreisen erklären.

Mit gezielten Jugendbibeln versuchen einzelne Bibelprojekte deshalb, die junge Generation mit jugendgemäßer Sprache wieder an die Heilige Schrift heranzuführen. So gibt es eine "Volxbibel" und eine "Twitterbibel". Die Deutsche Bibelgesellschaft wiederum plant im Herbst die Veröffentlichung des Neuen Testaments als mit kurzen Sätzen verständliche "Basisbibel", kündigt der Lektor des Projekts, Markus Hartmann, an. Die vier Evangelien gebe es bereits in dieser Form.

24. Februar 2010