Für Nachfolge-Suche noch zu früh

Führende Kirchenvertreter beraten in Tutzing über Konsequenzen aus Käßmann-Rücktritt

Von Rainer Clos (epd)

Frankfurt a.M. (epd). Nach turbulenten Tagen versammelt sich die Führungsspitze der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an diesem Freitag am Starnberger See. Die zweitägige Sitzung des Rates der EKD in der renommierten Evangelischen Akademie Tutzing ist seit langem geplant. Neben dem Routineprogramm werden sich die Ratsmitglieder Zeit nehmen, um die Lage nach dem Rückzug Magot Käßmanns von ihren kirchlichen Spitzenämtern zu analysieren. Trotz eines einmütigen Vertrauensvotums des Rates hatte sie am Mittwoch als Konsequenz aus einer Autofahrt unter Alkoholeinfluss ihren Rücktritt als Ratsvorsitzende und hannoversche Landesbischöfin erklärt.

Käßmanns Spitzenamt in der EKD übernimmt bis zu einer Neuwahl auf der Synodentagung im November in Hannover Nikolaus Schneider, der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland. Der 62-jährige sozialethisch profilierte Theologe war bisher Stellvertreter. Mit seiner ruhigen und auf Kooperation bedachten Art sei er ein wahrhafter Glücksfall für die evangelische Kirche in einer von Unruhe und Verunsicherung geprägten Phase, heißt es im EKD-Kirchenamt. Für eine Dramatisierung der Lage, wie sie etwa die Einberufung einer vorgezogenen Sitzung des Kirchenparlaments (Synode) nahe legen würde, sehen EKD-Spitzenleute keinen Anlass.

Und für Personalüberlegungen über den November hinaus sei es zu früh. "Wie es dann weitergeht und wer auf Dauer für die nächsten Jahre dann für dieses Amt infrage kommt, wer es machen sollte, das wird sich herausstellen", sagte Schneider am Donnerstag in einem Interview. Zu seinen eigenen Ambitionen äußerte er sich nicht. Ihm ist zunächst daran gelegen, dass er wegen seiner Doppelbelastung in Landeskirche und EKD in weiteren Funktionen entlastet wird.

Schneider wies weiter darauf hin, dass zunächst der sogenannte Ratswahlausschuss am Zuge ist. Diesem Gremium aus Synodenmitgliedern und Vertretern der Landeskirchen kommt bei der Suche nach einem Käßmann-Nachfolger eine wichtige Rolle zu, da es Vorschläge für zwei freie Sitze im EKD-Rat vorbereiten muss. Denn neben dem von Käßmann per Rücktritt aufgegebenen Platz war auch ein Stuhl bei der Ratswahl im vergangenen Oktober freigeblieben, weil sich Synode und Kirchenkonferenz in einem Wahlmarathon nicht auf einen Kandidaten einigen konnten.

Der Zeithorizont, der bei den Beratungen in Tutzing in den Blick genommen wird, erstrecke sich auf wenige Wochen, heißt es. Ende März ist eine reguläre Zusammenkunft der Kirchenkonferenz, dem dritten EKD-Gremium neben Rat und Synode, angesetzt. Für die Verständigung innerhalb der evangelischen Kirche nach dem Abgang von Käßmann markieren die Beratungen der Spitzen der Landeskirchen ein wichtiges Datum.

In ersten Äußerungen ließ der amtierende Ratsvorsitzende erkennen, dass es an den bisherigen Themensetzung keine Verschiebungen geben wird. Auch für Schneider ist die gesellschaftliche Verantwortung, das Eintreten der Kirche für die sozial Schwachen und Stummen Richtschnur. Dies werde für ihn verbindlich bleiben, kündigte er an.

In seinem Bericht, den er im Januar vor der rheinischen Landessynode abgab, formulierte der Präses: "Unsere Kirche weiß sich zuständig für das Zeugnis von der Gegenwart Gottes in der Welt mit Wort und Tat, mit Gefühl und Vernunft, mit Herz und mit Hand!" Neben dem Afghanistan-Krieg nannte er die Wirtschaftskrise, die Erosion der Solidarsysteme, die nachlassende weltweite Solidarität und die Folgen des Klimawandels als Themen, bei denen von der Kirche Hoffungszeichen gegen den Schrecken gefragt sind.

Auf den dringlichen Handlungsbedarf in Fragen der sozialen Gerechtigkeit hat der Präses mehrfach hingewiesen: "Es steht die Frage an, wie es in unserem Land sozial weitergeht mit der Entwicklung von Einkommen und Vermögen, mit dem Umgang mit den Schwächsten", sagte der amtierende Ratsvorsitzende am Donnerstag. Für das Vorhaben etwa, gemeinsam mit der katholischen Kirche zur sozialen und wirtschaftlichen Lage Stellung zu nehmen, sei Schneider der richtige Mann, wird argumentiert.

Ein Kurswechsel ist auch bei der innerkirchlich wichtigsten Aufgabe der nächsten Jahre, dem evangelischen Reformprozess, nicht zu erwarten. Wie schon Käßmann wirbt Schneider dafür, dass die Veränderungen, mit denen sich die Kirche auf den demografischen Wandel und die sinkende Finanzkraft einstellen will, zur Sache der Gemeinden gemacht und von der Pfarrerschaft getragen werden.

25. Februar 2010