Besuch bei den Lutheranern

Roms Evangelisch-lutherische Gemeinde erwartet Papst Benedikt zu Gottesdienst "nach unserer Tradition"

Von Bettina Gabbe (epd)

Rom (epd). Papst Benedikt XVI. wird am Sonntag (14. März) erstmals die evangelisch-lutherische Gemeinde in Rom besuchen. Der bislang einzige Besuch eines Oberhaupts der katholischen Kirche in einer evangelischen Kirche liegt mehr als 25 Jahre zurück. In seiner Eigenschaft als Bischof von Rom besuchte Johannes Paul II. im Dezember 1983 die lutherische Christuskirche und hielt dort die erste Predigt eines Papstes in einer lutherischen Kirche seit der Reformation 1517.

Der deutsche Papst kennt die protestantische Kirche in der italienischen Hauptstadt bereits. Als Präfekt der Glaubenskongregation diskutierte Kardinal Joseph Ratzinger im Oktober 1998 vor voll besetzten Kirchenbänken mit dem damaligen Berliner Bischof Wolfgang Huber über die Perspektiven der Ökumene.

Der ökumenische Gottesdienst in der lutherischen Kirche beginnt um 17.30 Uhr. Benedikt wird über die Bibelstelle "Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht" (Johannesevangelium 12, 20-26) predigen. Pastor Jens-Martin Kruse legt in seiner Predigt einen Abschnitt aus dem ersten Kapitel des Briefs des Apostels Paulus an die Römer aus. An der Vesper wird den Angaben zufolge auch der "Ökumene-Minister" des Vatikan, Kardinal Walter Kasper, teilnehmen. Der Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen hatte den Papstbesuch bereits vor Monaten angekündigt.

"Es wird ein Gottesdienst nach unserer Tradition, zu dem wir den Papst eingeladen haben", sagt Gemeindepfarrer Kruse. Dazu seien bewusst keine hochrangigen Kirchenvertreter aus Deutschland eingeladen worden. "Wir tun das, was Christen tun sollten, gemeinsam Gottesdienst feiern." Der Gemeindepfarrer sieht den Besuch in seiner Kirche als Zeichen gelebter Ökumene und in 40 Jahren Dialog gewachsener Beziehungen.

Die Visite des katholischen Kirchenoberhauptes werde nicht von Irritationen über die Schaffung katholischer Kirchenstrukturen für Anglikaner und die Aufhebung der Exkommunikation für vier Bischöfe der ultrakonservativen Piusbruderschaft beeinträchtigt, versichert Kruse. Die Gemeinde sehe dem Besuch des Bischofs von Rom gelassen und mit großer Freude entgegen. "Wir werden den Gottesdienst so feiern, wie wir ihn jeden Sonntag feiern."

Ursprünglich feierten die evangelischen Christen Gottesdienst in Räumlichkeiten der Preußischen Gesandtschaft auf dem römischen Kapitolshügel. Auf Wunsch der preußischen Diplomaten entsandte 1819 König Friedrich Wilhelm III. den ersten evangelischen Pfarrer nach Rom. Ein Grundstück für den Bau einer lutherischen Kirche wurde 1899 erworben, die Baupläne verzögerten sich jedoch, nicht zuletzt nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Erst 1922 konnte die Christuskirche eingeweiht werden. Sie wurde nach Plänen von Franz Heinrich Schwechten erbaut.

Eine Woche vor dem Papstbesuch wurden die Glocken der Christuskirche wieder geweiht. Wegen umfangreicher Sanierungen des Glockenstuhls musste das Geläut in den vergangenen beiden Jahren schweigen. Die Glocken der Christuskirche wurden 1913 von der Hofglockengießerei Franz Schilling im thüringischen Apolda nach dem Vorbild des Geläuts der Wittenberger Schlosskirche gegossen. Die Christuskirche, von deren Turm aus der Vatikan zu sehen ist, zählt rund 300 überwiegend deutschsprachige Mitglieder.

Mit anderen christlichen Konfessionen, die in Rom durch Kirchen vertreten sind, ist die Gemeinde in einem regen Austausch verbunden. So nimmt Pfarrer Kruse regelmäßig mit orthodoxen und anderen Kirchenvertretern am "ökumenischen Aperitif" im Benediktinerkloster an der Basilika Sankt Paul vor den Mauern teil.

08. März 2010